Beethoven: Klavierkonzerte Nr. 1-5 + Klavierkonzert Nr. 5 + Violinkonzert op. 61; Lalo: Symphonie Espagnole op. 21; Brahms: Klavierkonzert Nr. 1 + Violinkonzert op. 77 + Konzert op. 102 für Violine, Cello, Orchester; Schubert: Symphonie C-Dur Nr. 9; Dvorak: Symphonien Nr. 8 & 9 + Cellokonzert op. 104 + Slawische Tänze Nr. 2 & 10; J. Strauss II: An der schönen blauen Donau + Frühlingsstimmen + Pizzicato Polka + Tritsch Tratsch Polka; Strauss: 4 Letzte Lieder + Muttertändelei op. 43/2 + Waldseligkeit op. 49/1 + Zueignung op. 10/1 + Freundliche Vision op. 40/1 + Die heiligen drei Könige op. 56/6 + Ruhe, meine Seele op. 27/1 + Meinen Kinde op. 32/3 + Wiegenlied op. 41/1 + Morgen op. 27/4 + Das Bächlein op. 88 + Das Rosenband op. 36/1 + Winterweihe op. 48/4; Mahler: Des Knaben Wunderhorn; Mozart: Konzertarien KV 383, 505, 578, 583; Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg-Ouvertüre; Weber: Oberon-Ouvertüre; Audio-Dokument George Szell - A Memoir (Interviews & Proben); Artur Schnabel, Benno Moiseiwitsch, Pablo Casals, Elisabeth Schwarzkopf, Alfred Brendel, Dietrich Fischer-Dieskau, Emil Gilels, David Oistrach, Mstislav Rostropovich, Wiener Philharmoniker, London Philharmonic Orchestra, Czech Philharmonic Orchestra, Radio-Symphonie-Orchester Berlin, London Symphony Orchestra, Cleveland Orchestra, George Szell; 14 CDs Warner Classics 0190295267186; Aufnahmen 1934-1970, Veröffentlichung 30/10/2020 - Rezension von Remy Franck

Warner Classics widmet dem 1897 in Ungarn geborenen und 1970 verstorbenen amerikanischen Dirigenten George Szell eine gut gefüllte Box mit CDs, die als komplementär anzusehen ist zu der Box von Profil (Pizzicato-Rezension). Szells sehr eigenwilliger Dirigierstil ergab das, was sein Markenzeichen war: ein schlankes, präzises, hervorragend strukturiertes und unglaublich detailreiches, oft auch hoch intensives Musizieren, das auch seine Solisten ansteckte.

Diese Beschreibung passt zu der Einspielung des Violinkonzerts von Brahms mit David Oistrakh (1969, Cleveland Orchestra), die viel spontaner und schärfer klingt als die in andrem Sinne nicht weniger begeisternde Oistrakh-Einspielung unter Cluytens.

Die Aufnahme des Doppelkonzerts von Brahms mit Oistrach und Rostropovich ist ebenfalls hervorragend, auch wenn das Cello von Rostropovich etwas prägnanter und klarer klingen könnte.

Szells Aufnahme der Achten Symphonie von Dvorak ist sehr böhmisch, tänzerisch und an verschiedenen Stellen von berührender Warmherzigkeit. Eine sehr persönliche, sehr aktionsreiche Interpretation mit einem grandios aufspielenden Cleveland Orchestra!

Ein Highlight ist die Aufnahme von Des Knaben Wunderhorn mit Elisabeth Schwarzkopf, Dietrich Fischer-Dieskau und dem London Symphony. Es ist m.E. die lebendigste, schärfste, ironischste und sarkastischste Aufnahme im Katalog. Schwarzkopf singt 100% idiomatisch und den Texten entsprechend sehr theatralisch. Fischer-Dieskau ist selten so aus sich herausgegangen als in der Szell-Aufnahme, er singt hier mit viel Biss und textlicher Darstellung, ohne die lyrischen Passagen zu vernachlässigen. Das musikalische Drama in Mahlers Partitur wurde selten besser wiedergegeben. Auch das LSO musiziert sehr prägnant unter Szell inspirierter Leitung.

Dvoraks 9. Symphonie (Aus der Neuen Welt) spielen die Musiker der Tschechischen Philharmonie auf der äußeren Stuhlkante. Die Aufnahme ist zwar von 1937, aber erstaunlich gut erhalten und digital bearbeitet. Es gibt Aufnahmen aus dem 21. Jahrhundert, die weniger gut klingen! Sehr gut, präsent und voll klingt auch die Einspielung des Cellokonzerts von 1938. Szell dirigiert leidenschaftlich und entlockt der Tschechischen Philharmonie einen grandios opulenten Klang. Nicht weniger dramatisch und enthusiastisch spielt Casals auf seinem Cello. Die schiere Virtuosität und Intensität des ersten Satzes sind phänomenal. Das Adagio ist erfüllt von innerer Kraft und Lyrismus. Das Finale spielt Casals mit hinreißendem Engagement und stupender Rhetorik.

Die zweite CD dieser Kollektion enthält zunächst sehr persönlich geformte Stücke von Johann Strauss, die Szells gestalterische Phantasie beweisen. Darauf folgt das Erste Klavierkonzert von Johannes Brahms. 1938 aufgenommen mit dem London Philharmonic und Artur Schnabel. Dessen Musikalität und Spontaneität waren ja immens, was manchmal auf Kosten der Technik geht. Aber was bedeuten diese paar Ausrutscher gegenüber all dem, was man in dieser Einspielung an Klangformen, an Phrasierungen und an musikalischer Bewegung hört? Dies ist ein Anthologie-Stück, einzuordnen unter dem Schlagwort: Phantasie.

Nicht weniger außergewöhnlich ist die Einspielung des Fünften Klavierkonzerts von Beethoven mit Benno Moisewitsch und dem London Philharmonic. Hier trafen sich zwei gegensätzliche Persönlichkeiten, der extrovertierte Szell und der introvertierte Moisewitsch, der durch sein sehr lyrisches und manchmal berückend poetisches Spiel fasziniert. Das geht in den Bauch!

Emil Gilels, einer der größten Beethoven-Interpreten des Jahrhunderts, hat die fünf Beethoven-Klavierkonzerte mehrmals aufgenommen. Der Zyklus aus Cleveland ist nicht der beste davon. Generell kann man sagen, dass Szell ständig versucht, mit seinem Cleveland Orchestra Gilels zu übertrumpfen, ihm die erste Rolle streitig zu machen. Und das ist nicht gut.

Auch die Neunte Symphonie von Schubert ist eher enttäuschend, behäbig und groß-symphonisch, gepflegt, aber nicht wirklich spontan und erlebnisreich.

Faszinierend spontan und ausdrucksvoll ist hingegen Beethovens Violinkonzert mit Bronislaw Huberman, mit dem Szell wunderbar harmoniert.

Und dann müssen noch die Strauss-Aufnahmen mit Elisabeth Schwarzkopf erwähnt werden, die wohl auf immer eine Sonderstellung einnehmen werden. Mit einer einmaligen Ausdrucksseligkeit sind sie wahre Hymnen auf die Schönheit.

Und so ist denn diese Box mit Szell-Einspielungen etwas ganz besonders Wertvolles, trotz einiger Enttäuschungen.

Warner dedicates a well-stocked box of CDs to the American conductor George Szell, born in Hungary in 1897 (and deceased in 1970), which can be seen as complementary to the box of Profil (Pizzicato review). Szell’s very idiosyncratic conducting style produced what was his trademark: a slim, precise, excellently structured and incredibly detailed, often highly intensive music-making, which also inspired his soloists.
This description fits the recording of Brahms’ Violin Concerto with David Oistrakh (1969, Cleveland Orchestra), which is much more spontaneous and sharp than the otherwise no less inspiring Oistrakh recording under Cluytens.
The recording of Brahms’ Double Concerto with Oistrakh and Rostropovich is also excellent, although Rostropovich’s cello could sound a little more concise and clear.
Szell’s recording of Dvorak’s Eighth Symphony is very bohemian, dance-like and at various points of touching warmth. A very personal, very rich interpretation with a grandiose Cleveland Orchestra!
A highlight is the recording of Des Knaben Wunderhorn with Elisabeth Schwarzkopf, Dietrich Fischer-Dieskau and the London Symphony. In my opinion it is the most lively, sharp, ironic, and sarcastic recording in the catalogue. Schwarzkopf sings 100% idiomatically and according to the lyrics very theatrically. Fischer-Dieskau did seldom let himself go as much as in the Szell recording. He remains very close to the lyrics and sings with a lot of bite, without neglecting the lyrical passages. The musical drama in Mahler’s score has seldom been better rendered. The LSO’s performance under Szell inspired direction is no less good.
Dvorak’s 9th Symphony (From the New World) with the Czech Philharmonic Orchestra is terrific. Although the recording is from 1937, it is astonishingly well preserved and digitally edited. There are recordings from the 21st century that are technically less convincing! The recording of the Cello Concerto from 1938 is very good, present and full. Szell is getting a passionate and opulent playing from the Czech Philharmonic, and Casals is dramatic and enthusiastic on his cello. The sheer virtuosity and intensity of the first movement are phenomenal. The Adagio is filled with inner strength and lyricism. The finale shows Casals playing with ravishing commitment and stupendous rhetoric qualities.
The second CD of this collection contains very personally interpreted pieces by Johann Strauss which prove Szell’s creative imagination. The second part comprises the First Piano Concerto by Johannes Brahms, recorded in 1938 with the London Philharmonic and Artur Schnabel. His musicality and spontaneity were immense, sometimes at the expense of technique. But what do these few slips mean compared to all the refinement of the overall shaping and the agility of this performance?  This is an anthology piece, to be classified under the keyword: fantasy.
No less exceptional is the recording of Beethoven’s Fifth Piano Concerto with Benno Moisewitsch and the London Philharmonic. Here two contrasting personalities met, the extroverted Szell and the introverted Moisewitsch, who fascinates with his very lyrical and sometimes enchantingly poetic playing.
Emil Gilels, one of the greatest Beethoven interpreters of the century, has recorded Beethoven’s Piano Concertos several times. The cycle from Cleveland is not the best one. In general it can be said that Szell constantly tries to outdo Gilels with his Cleveland Orchestra. And this is not good.
Schubert’s Ninth Symphony is also rather disappointing, ponderous and big-symphonic, refined but not really spontaneous and exciting.
Beethoven’s Violin Concerto however is fascinatingly spontaneous and expressive, Bronislaw Huberman and Szell harmonise wonderfully in this work.
And then there are the Strauss recordings with Elisabeth Schwarzkopf, which will probably always hold a special position. With a unique expressive bliss they are true hymns to the beauty.
And so this box of Szell recordings is something particularly valuable, despite some disappointments.

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