
Von Samuel Marinos wunderbar reiner und emotional wohl dosiertem Gesang haben wir schon geschwärmt. Nicht weil der Sänger als männlicher Sopran eine Ausnahmerolle spielt, sondern weil er wirklich gut singt und in einem sicherlich begrenzten Repertoire den Hörer bezaubern kann.
Seit seinen ersten Aufnahmen hat sich seine Stimme deutlich verbessert. Sie hat gelegentliche Schärfen abgebaut, und die Charakterisierungskunst des Sängers hat sich verfeinert.
Ich nehme also nichts zurück von dem, was ich bereits sagte (siehe unten).
Aber ich kann das hier gesungene Repertoire nicht widerspruchslos annehmen. Ein gravierender Fehltritt ist der Versuch, aus welchen anbiedernden Gründen auch immer mit Piafs Hymne à l’amour einen Ausflug ins französische Chanson zu machen. Der Ausflug ist total misslungen, weil Marino dem Lied nicht die Stimmung geben kann, die es braucht, um zu wirken. Auch das Reynaldo Hahn- Lied A Chloris ist nicht optimal interpretiert.
Für mich hätte auch ein Ave Maria gereicht, ich halte die Vokalise für überflüssig und ich hätte mir hingegen die eine oder andere Mozart-Arie gewünscht. Marino war schlecht beraten, als er dieses Album aufnahm. Wenn er ein respektierter Sopranist sein will, soll er sich nicht verramschen lassen.
Seine Stimme, die sich, wie das selten vorkommt, durch den Stimmbruch kaum verändert hat, ist etwas sehr Wertvolles, aber er sollte sie nicht zur Showstimme werden lassen. Wie stilsicher und innerlich beteiligt er singen kann, hat anderenorts seine Interpretation von Pergolesis Stabat Mater gezeigt. Das ist hohe Gesangskunst ohne Brimborium.
We have already raved about Samuel Marino’s wonderfully pure and emotionally balanced singing. It’s not just because he plays an exceptional role as a male soprano; he sings really well and can enchant listeners in a certainly limited repertoire.
Since his first recordings, his voice has improved significantly. It has lost some of its occasional sharpness, and his characterization skills have become more refined. I stand by everything I said before (see below).
However, I cannot accept the repertoire sung here without reservation. A serious misstep is the attempt to venture into French chanson with Piaf’s Hymne à l’amour for whatever ingratiating reasons. This venture is a total failure because Marino cannot give the song the mood it needs to be effective. Reynaldo Hahn’s A Chloris is also not performed well.
In my opinion, one Ave Maria would have sufficed. I found the Rachmaninov-Vocalise superfluous and would have preferred one or two Mozart arias instead. Marino was ill-advised to record this album. If he wants to be a respected soprano, he should not sell himself short.
His voice, which did not change during puberty, is valuable, but he shouldn’t use it as a showpiece. His interpretation of Pergolesi’s Stabat Mater demonstrates how stylistically confident and emotionally engaged he can be. That is high vocal artistry without fanfare.
Sopranist Samuel Marino: überwältigende Offenbarung von Schönheit