Giacomo Puccini: Alexia Voulgaridou (Cio-Cio San), Cristina Damian (Suzuki), Teodor Ilincai (B.F. Pinkerton), Lauri Vasar (Sharpless), Philharmoniker Hamburg, Chor der Staatsoper Hamburg, Alexander Joel; Regie: Vincent Boussard; 1 Blu-ray Arthaus Musik 108106; Bild HD 16:9; Surround & Stereo; 2012 (137') – Rezension von Remy Franck

Spiralförmig steht eine Wendeltreppe in der Mitte der Bühne, aus dem Nichts kommend und ins Nichts führend, als Symbol modernen Liebeslebens, ein Zeichen auch für den Weg Pinkertons, der einfach kommt und einfach geht. Vincent Boussard zeichnet ihn feinfühlig. Der Junge hat Angst vor der eigenen Courage und dem eigenen Sexualtrieb… Er trinkt sich Mut an. Und so wird aus der dieser Hamburger ‘Madama Butterfly’ eine einfache und auch traurige Liebesgeschichte ohne viel Liebe.

Die Frage ist, wieso daraus eine solche Tragödie erwachsen kann, wieso sich Cio-Cio San im zweiten Akt, total ent-japanisiert, derart in diese Nicht-Liebe steigern kann, dass sie ein völlig psychopathisches Verhalten an den Tag legt und die Untreue Pinketons nicht akzeptieren will. Ihre Referat über Ehe und Scheidung gegenüber dem Multi-Ehemann Yamadori ist ein Kabinettstück von besonderer Tragweite in dieser Inszenierung, die den Sohn auf das Wunschobjekt reduziert, symbolisiert durch eine Puppe. Diese Psycholiebe kann und darf am Ende wohl ins Selbstmord-Ritual münden, aber Vincent Boussard gesteht Butterfly das Recht nicht zu, sich zu töten. Sie verlässt am Ende den Raum ohne das Messer, lebendig, aber innerlich völlig zerstört. Und dann öffnet sich die Tür eines Schrankes, die Puppe fällt heraus und verliert dabei den Kopf. Auch das ist wohl eine Symbolik für zerbrochene Ehen und zerbrochene Kinder…

In dieser Rolle einer jungen Frau, die sicher älter als 15 ist, brilliert Alexia Voulgaridou sowohl stimmlich als vor allem auch darstellerisch. Auch die Suzuki erlangt mit Cristina Damian – gute Stimme – viel Charakter. Teodor Ilincai ist nicht nur ein vorzüglicher Schauspieler, er hat auch eine starke Stimme mit brillanter Höhe und recht präsenter Tiefe. Leichte Intonationsprobleme können den guten Gesamteindruck nicht schmälern. Unter der Leitung von Alexander Joel spielten die Philharmoniker Hamburg mit viel Prägnanz und Engagement. Joels zügige Tempi verhindern jeden Kitsch und jede Rührseligkeit.

Die Nebenrollen sind recht gut besetzt, so das man am Ende den Eindruck hat, eine interessante und oft bewegende ‘Madama Butterfly’ gesehen zu haben, die die Problematik unter neuen Gesichtspunkten behandelt, ohne das Textbuch zu vergewaltigen.

A modern and psychologically interesting staging of Puccini’s ‘Madama Butterfly’, with good singer-actors.

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