Dualis; Randall Meyers: Simplexity; Maurice Ravel: Ma Mère l'Oye; Leos Janacek: Sonate 1.X.1095; Sergei Prokofiev: Klaviersonate Nr. 4; Yi Lin Jiang, Klavier; 1 CD Solaris Records SOL19011; Aufnahme 09/2019, Veröffentichung 11/2019 (o.A.) - Rezension von Remy Franck

Der deutsch-chinesisch Pianist Yi Lin Jiang, 1988 in München geboren, hat die erste von zwei geplanten CDs unter dem Motto Dualis herausgebracht. Der Pianist sagt: « Basierend auf den philosophischen Idealen der Antike untersucht dieses zweiteilige CD-Projekt die gegensätzlichen Elemente in der Musiksprache: die sich ergänzenden Stile der klassischen und der zeitgenössischen Periode die Überschneidung zwischen einer irdischen und transzendentalen Umgebung und die Verschmelzung von rationaler Intelligenz und rohen Emotionen, während die mehrdeutigen Bedeutungen und widersprüchlichen Ausdrücke der menschlichen Natur aufgedeckt werden. »

Er startet sein Programm mit Simplexity des amerikanischen Komponisten Randall Meyers, einem durchaus komplexen Werk impressionistisch-expressionistischen Zuschnitts, in dem leichte, quirlige Klänge immer wenn sie zu verspielt werden, in reflektiere Momente münden, wenn sie nicht gar von kräftigen Bassakkorden erdrückt werden. Das Stück wird dann meditativer, danach etwas unruhiger, auch aufgewühlt sowie virtuos revoltiert und endet wieder ruhiger. Das Unbeschwerte ist in der zweiten Hälfte der fast 22 Minuten langen Komposition nicht mehr zu finden.

Nach diesem modernen Psychogramm folgt Ravels Ma Mère l’Oye in der Transkription von Jacques Charlot für Klavier zweihändig. Jiang spielt die fünf Märchenbilder raffiniert und liebevoll, märchenhaft wie in einem Akt der verträumten Verzauberung. Selbst die dunklen Klänge des Biests klingen nicht sehr bedrohlich.

Es folgt die Sonate 1.X.1905, von Janacek komponiert als musikalische Reaktion auf einen brutal von der Polizei niedergeschlagenen Aufstand seiner mährischen Landsleute. Man hat sie dramatischer gehört als in dieser eher introvertierten Darstellung, und ich frage mich, ob da nicht noch etwas von Kämmerlings aseptisierendem Unterricht nachwirkt, etwas was Jiangs zweite Lehrerin, Ewa Kupiec nicht ausradieren konnte. Ihre eigene Version der Sonate ist jedenfalls kräftiger.

Mit einer charakteristischen Interpretation der 4. Klaviersonate von Sergei Prokofiev endet die CD. Die Unentschlossenheit der ersten zwei Sätze bringt Yang gut und mit kontrastierenden Stimmungen zum Ausdruck. Das abschließende Rondo spielt er virtuos, aber nicht enthusiastisch, so dass der etwas verhangene Grundcharakter der Sonate nicht aufgelöst wird.

German-Chinese pianist Yi Lin Jiang, born 1988 in Munich, has released the first of two planned CDs under the motto Dualis. His first piece is Simplexity by the American composer Randall Meyers, a thoroughly complex impressionist-expressionist work, in which light, lively sounds, whenever they become too playful, change into reflective moments, when they are not even crushed by powerful bass chords. The piece then becomes more meditative, then a little more restless, also agitated as well as virtuously revolted and ends quite peacefully. The lighthearted mood is not to be found again in the second half of the almost 22 minute long composition.
Jiang plays Ravel’s Ma Mère l’Oye in a refined and loving way, like in a dreamy enchantment. Even the dark sounds of the Beast do not sound very threatening.
The Sonata 1.X.1905, composed by Janacek as a musical reaction to a brutal police intervention after an insurrection of his Moravian countrymen, has been heard more dramatically than in this rather introverted performance, and I wonder if there is not something left of Kämmerling’s aseptic teaching, something that could not be erased by Jiang’s second teacher, Ewa Kupiec whose own version of the sonata is certainly more powerful.
The CD is concluded with a characteristic interpretation of Sergei Prokofiev’s 4th Piano Sonata. Yang expresses the indecision of the first two movements very well and with contrasting moods. In the final Rondo his playing is virtuoso, but not enthusiastic, so that the somewhat gloomy basic character of the sonata is not dissolved.

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