William Youn
(c) Irene Zandel

Der koreanische Pianist William Youn macht eine gut strukturierte Laufbahn. Er begann seine Karriere zunächst in den USA und Asien, seit einigen Jahren baut er seine Präsenz auch in Europa aus. Im Dezember 2014 wird er unter Leitung von Lorin Maazel sein Debüt mit den Münchner Philharmonikern geben. Zu William Youns Projekten gehören Konzerte in Häusern von Weltrang und Festivalauftritte von Berlin über Seoul bis New York. Bei Oehms Classics beginnt er jetzt einen Zyklus mit Mozart-Aufnahmen. Remy Franck hat mit ihm über diese neuen Aufnahmen gesprochen.

Nach Schubert und Chopin kommt nun ein Mozart-Zyklus auf CD. Warum gerade Mozart?
Es fühlt sich gerade genau richtig an. Ich habe mich in der letzten Zeit intensiv mit Mozart beschäftigt und ich bin so verliebt in seine Musik!
Mit Chopin fühlte ich mich immer zu Hause, später auch mit Schubert und Schumann. Mit Mozart hat es für mich etwas länger gedauert, bis ich seine besondere musikalische Sprache verstehen konnte. Vor einigen Jahren hatte ich einen wunderbaren Unterricht bei dem chinesischen Pianisten Fou Ts’ong, ich spielte das berühmte d-Moll Konzert KV 466. Das war für mich eine kleine Erleuchtung, plötzlich verstand ich, wie emotional und dramatisch Mozarts Musik ist, wie komplex und zutiefst menschlich. Seitdem spiele ich Mozart mehr und mehr auch in meinen Konzerten mit großer Freude.

Nach welchen Kriterien werden Sie das Programm der fünf CDs aufbauen?
Meine erste Überlegung war, die Sonaten chronologisch aufzunehmen, wie es z.B. bei den Beethovensonaten schon zur Tradition geworden ist. Aber anders als bei Beethoven (dessen kompositorische Entwicklung und dessen Ringen mit der Materie für Interpreten wie Zuhörer in der Chronologie der Sonaten deutlich spürbar ist) finde ich bei Mozart, dass seine früheren Sonaten ebenso anspruchsvoll und komplex sind wie die späteren. Er hat mit der ersten Sonate bereits ‘seinen’ Tonfall gefunden. Somit kann ich die Sonaten frei kombinieren und die Abfolge wie ein Konzertprogramm aufbauen.

Konkret, warum stehen auf der ersten CD die Sonaten 282, 310, 330 und 570 nebeneinander?
Diese vier Sonaten sind in vier komplett verschiedenen Lebenssituationen Mozarts entstanden und auch für mich stehen die Sonaten mit wichtigen Momenten meines musikalischen Lebensweges in Zusammenhang. Die Sonate KV 330 war das erste Stück von Mozart, was ich je gespielt habe (mit 8 Jahren), Mozart schrieb sie zu Beginn seiner Zeit in Wien als freischaffender Komponist. Die Sonate KV 570 gehört mit zu den letzten Werken, die er überhaupt für Klavier geschrieben hat, mit dieser Sonate gewann ich meinen ersten größeren Jugendwettbewerb. KV 310 ist eines meiner Lieblingsstücke überhaupt. Mozart schrieb sie auf der Reise nach Paris, kurz nach dem Tod seiner Mutter, es ist ein Werk voller Dunkelheit und Tragik. Und KV 282 schrieb er während seines Aufenthaltes in München anlässlich der Vorbereitungen zur Oper ‘La Finta giardiniera’. Mir gefiel die Idee, meine eigene Mozart-Reise mit einer Sonate anzufangen, die er in der Stadt geschrieben hat, in der ich meine Wahlheimat gefunden habe.

In den letzten Jahren hat sich das Mozart-Bild aufgrund der historischen Aufführungspraxis gewandelt. Was haben Ihnen persönlich diese neuen Erkenntnisse gebracht?
Es gibt mittlerweile fantastische Aufnahmen mit Hammerklavier. Der Versuch einer Annäherung an den Klang der damaligen Zeit interessiert mich sehr. Ich finde sehr wichtig, dass man überlegt, wie diese Stücke damals geklungen haben mögen. Die älteren Aufnahmen, wo Mozart oft zu langsam und schwer interpretiert wird, empfinde ich oft als seltsam und unpassend, da haben viele Musiker und Forscher unsere Ohren geöffnet und unser Stilempfinden verändert.

Wie sieht es denn aus mit dem Verhältnis zwischen Text, also den Noten, und der künstlerischen Freiheit in Ihrer Interpretation?
Mozart ist mit seinen Spielanweisungen sehr sparsam. Dadurch hat ein Interpret viel Freiheit – ein Segen, den es mit Umsicht zu genießen gilt. Wir müssen genau überlegen, was Mozart mit seiner Musik gemeint hat: wo endet die Phrase, was ist der wichtigste Ton, wie ist das Verhältnis zwischen die Melodie und Begleitung, wie ist die harmonische Entwicklung, was ist mit dem Pedal? Wie ist der Charakter? In der Freiheit die genaue Antwort zu finden, darin liegt für mich die wahre musikalische Intelligenz. Es ist eine Herausforderung, die auch Mut braucht.

Was, glauben Sie, können Sie mit Mozart ausdrücken?
Ich sehe mich selbst eher als ‘Beobachter’. Ich analysiere gerne meine Mitmenschen. Mozarts Musik ist voll von all den ‘menschelnden’ Charakteren unserer Welt, seine Musik ist zutiefst human. Und die Gefühle! Seine Musik hat die größte Palette von Gefühlen. Für viele ist Mozart ‘elegant’ oder ‘lieblich’, für mich ist es die gigantische Bandbreite zwischen höchster Dramatik und dem zerbrechlichen Glück, was seine Musik so faszinierend macht.

Was ist Ihnen wichtiger in Ihren Mozart-Interpretationen, die Form, der Klang oder die Emotion?
Mozart ist ein Erzähler. Er erzählt eine emotionale Geschichte mit Form und Klang.

Ist Mozart für Sie schon eine Art Romantiker?
Ja, absolut! Es geht immer um die Liebe in seiner Musik. Er liebte die Welt, die Welt liebte ihn. Es geht um die Kommunikation, um den liebevollen Blick auf uns Menschen. Ich finde, dass es in allen Epochen eine gewisse Romantik gibt – nur die Sprache hat sich geändert.

Die Aufnahmen wurden mit einem modernen Flügel gemacht. War das alte Hammerklavier nie eine Option?
Dieses Jahr hatte ich sogar meine ersten Konzerte auf dem Hammerklavier, gemeinsam mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer, der mich immer wieder dazu ermutigt. Es war schon eine Überlegung, die früheren Werke auf dem Hammerklavier aufzunehmen, ich fand das dann aber nicht zwingend notwendig, weil die ersten Sonaten nicht aus Mozarts Jugendzeit sind. Es gibt Stücke von ihm, die auf dem Hammerklavier besser klingen, aber die Sonaten gehören vielleicht nicht unbedingt dazu. Es ist ein bisschen wie bei Bach und seinen Zeitgenossen: Während Telemann oder Händel auf dem Cembalo besser klingen, funktioniert Bach genauso gut auf dem modernen Flügel. Ähnlich ist es für mich auch bei Mozart, seine Musik ist zeitlos.

Was wäre denn der Vorteil des Hammerklaviers gewesen?
Auf dem Hammerklavier kann man freier mit der Zeit, mit dem Rubato umgehen. Das Hammerklavier hat seine dynamischen Grenzen, so dass man ein gutes Zeitgefühl braucht, um die feinen Nuancen zu zeigen. Mir gefällt auch der perkussive Klang des Anschlags.

Und was sind die Vorteile des Flügels?
Beim modernen Flügel hat man natürlich viel größere Möglichkeiten von Dynamik. Das macht es dem Pianisten einfacher, in unseren verhältnismäßig großen Sälen zu spielen. Mozart hat ja seine Musik und insbesondere die Instrumentalmusik für eher kleinere Räume geschrieben.

Es wird immer wieder beklagt, dass die neue Generation von Musikern gerne sehr schnell verheizt wird, dass alles sehr schnell gehen muss und der immense Stress des internationalen Konzertbetriebes die jungen talentierten Musiker kaputt macht. Ich habe den Eindruck, dass Sie diese Hektik nicht mitmachen, sondern sich Zeit nehmen. Wie wichtig ist ‘Zeit’ für Sie?
Es ist wie in der Natur: Man pflanzt den Samen in die Erde, pflegt und gießt dann die Pflanze jeden Tag, aber man kann nicht forcieren, dass sie schneller wächst. Alles hat seine Zeit.
Ich habe bemerkt, dass mein Weg länger dauert. Vielleicht ist das gerade gut für mich, weil ich eigentlich ein ungeduldiger Mensch bin. Letzten Endes geht es mir aber auch nicht in erster Linie um die Karriere im Sinne von ‘heute Carnegie Hall und morgen in der Philharmonie in Berlin um jeden Preis’. Ich warte auf den Moment, wo ich bereit bin.
Ich arbeite jeden Tag, um ein besserer Musiker und Mensch zu werden. Von Jahr zu Jahr bessere Konzerte zu spielen und mehr Aufmerksamkeit zu bekommen – das ist für mich das äußere Ergebnis eines inneren Wachsens.

 

 

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