Franz Welser-Möst
Photo: Don Snyder

Gustav Mahlers Neunte Symphonie stand auf dem Programmzettel der Wiener Philharmoniker im Wiener Konzerthaus. Nachdem das Orchester schon die Uraufführung unter Bruno Walter gemeistert hatte, spielten sie dieses Werk nun unter der Leitung von Franz Welser-Möst. Uwe Krusch konnte für Pizzicato dieser aktuellen Deutung lauschen.

Franz Welser-Möst, körperlich auf dem Weg zum Pult nicht ganz auf der Höhe und auch im Stehsitzen dirigierend, konnte dann, sobald er seinen Arbeitsplatz erreicht hatte, sich mit höchster Konzentration und Intensität dem Dirigat widmen. Dass er einen Hocker benutzen muss, ist einem gebrochenen Fuss geschuldet.

Das ist ja immer wieder ein zu beobachtendes Phänomen, dass die großen Maestri, auch wenn man ihnen das gar nicht zutrauen würde, auf dem Pult sozusagen eine Jungbrunnenkur durchlaufen und dann wie um viele Jahre verjüngt und dynamisch agieren können.

Sieht man die 9. Symphonie als eines der, wenn nicht das persönlichste Werk Mahlers, das von biografischen Aspekten und persönlichen Erlebnissen angeregt wurde, so wird dieses von bedrückendsten Einflüssen, handelte es sich doch um schwere Krisen und existentielle Angstzustände in seinen letzten Lebensjahren, bestimmt. So wunderte es auch nicht, auf engstem Raum scharfe Kontraste, Simplizität und andererseits Dämonik und höchster Expressivität zu finden. Und wenn sich eine Dirigent, vom Konzerthaus als bester österreichischer Dirigent seit Karajan tituliert mit einem der besten Orchester der Welt zusammen trifft, dann ergibt sich ein Gespann, dass diesem Werk ohne Wenn und Aber gewachsen war.

Diese Gegensätze zeigen sich in allen Sätzen, so auch im ersten, wo lyrisch liedhafte und von höchster Spannung erfüllte Passagen sich abwechseln. Zur Durchführung der freien Sonatensatzform hin wird ein Höhepunkt erreicht, den die Beteiligten mit aller Deutlichkeit aufzeigten. Dagegen stand eine feine kammermusikalische Stelle in der Reprise, die in der Partitur misterioso überschrieben ist. Dieser Moment von erstaunlicher Schönheit und Modernität wurde von den Philharmonikern erlesen geformt.

Die verschiedenen Tänze des zweiten Satzes, der das Scherzo ersetzt, also primär Ländler und Walzer, zeigten ihre Individualität auch mit einem jeweils anderen Tempo. Hier ließ Welser-Möst den starken Kontrast zwischen dem simpel instrumentierten Es-Dur Walzer und dem romantischen, geradezu verträumten langsamen Ländler mit aller Finesse hören.

Im dritten Satz ließen sich sowohl der marschartige Hauptsatz, an Schönbergs expressionistische atonale Phase erinnernd, wie auch wie auch die Melodienseligkeit des Seitensatzes, die Atmosphäre eines Schlagers verbreitend, leicht heraushören.

Die einander mehrfach ablösenden zwei Themenkomplexe des vierten Satzes, hier mochte man an Bruckner denken, kontrastierten als hochexpressiver, reich harmonisierter Satz der Streicher mit dem zwei, stets piano zu spielenden zweiten Thema, die mit ihrer kammermusikalischen Ausformung gerade schemenhaft wirkte.

Welser-Möst und den Philharmonikern gelang es weitestgehend, die stark instrumentierten Passagen doch noch durchhörbar zu gestalten, obwohl es hier bei der großen Zahl der Beteiligten zu dichten Packungen kam. Aus der Vielzahl der fantastischen Leistungen der Musiker mag man die Soli von Geige und Bratsche, vor allem aber Horn und Flöte hervorheben, die ihren Part grandios gestalteten. So brandete am Ende großer Applaus auf, der sich in stehenden Ovationen entlud.

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