Castalian String Quartet
(c) Paul M. Mitchell

Künstlerische Inspiration soll der bekommen, der aus der Kastalischen Quelle trinkt. Dieser auch manchmal mit Delphi gleichgesetzte Ort hat seine Bedeutung durch die griechische Mythologie bekommen. Die Nymphe Kastalia soll dort auf der Flucht vor dem liebestollen Apollo untergetaucht sein soll. Ob ein darauf abstellender Ensemblename zu derart befruchteten Deutungen anregte, hat Uwe Krusch für Pizzicato im Mozart Saal des Wiener Konzerthauses belauscht.

Die seit gut einem Jahrzehnt zusammen spielenden Musiker des Castalian String Quartet hatten sich gleich zu Beginn ein mutiges Werk auf das Programm gesetzt, nämlich das erste Quartett von Benjamin Britten. Bereits die einleitenden und immer wiederkehrenden Takte der körperlos hohen Toncluster, denen das Cello ein Pizzicato als Bindeglied zur Erde unterlegt, erfordern höchste Konzentration und dabei sorgfältig sensiblen Zugriff. Hier mag man es der Jugendlichkeit und Anspannung der Mitspieler zurechnen, dass sie diese Stimmung, die auch an einen Traum einer Sommernacht denken lassen mag, noch etwas zu erdgebunden angingen. Ansonsten aber entfalteten sie das Panorama dieses ersten offiziell gezählten Quartetts von Britten mit stupender technischer Beherrschung und interpretatorischer Lust.

Vor dem zweiten Programmpunkt bat die Primaria, Sini Simonsen, die bildende Künstlerin Caroline Burraway für einige Anmerkungen auf die Bühne. Burraway begleitet seit 2015 die Flüchtlingskrise. Auf der Insel Lesbos im damals größten Lager hat sie das Elend direkt miterlebt und ihre Schocks über die Schicksale hinter den zu tausenden weggeworfenen Schwimmwesten in die Installation ‘Ungrievable Lives‘, also Unbeweinbare Leben, übertragen. Dieses parallel im Wiener Konzerthaus ausgestellte Kunstwerk zeigt 13 aus den Resten von Westen genähte Kinderkleider, die für je eine Million Kinder auf der Flucht stehen.

Castalian String Quartet
(c) Paul M. Mitchell

Für die Komponistin Charlotte Bray war diese Installation und die damit verbundenen Assoziationen wiederum die Anregung, in dreizehn kurzen Sätzen unter dem gleichen Titel ein Streichquartett zu erschaffen. In diesem zeigt sie von kindlichem Spiel bis hin zu Todesangst die ihr in den Sinn kommenden Gedanken. Das Castalian String Quartet bot dieses Werk erstmals dem Publikum in Wien an. In den beiden vorherigen Aufführungen konnten die Musiker ihren Zugang zu dem Stück so vertiefen, dass sie jetzt die verschiedenen Gedankensplitter textuell intensiv und durchleuchtet darlegen konnten. Die einzelnen Abschnitte, zusammen 22 Minuten, sind so kurz, dass wie in einem Film die Bilder ans Auge immer nur kurze Sequenzen ins Ohr gelangten. So konnte man jeden Satz als Aufschrecken wahrnehmen, aber seine Gedankenwelt nicht vertiefen. Spielerisch zelebrierten die Mitglieder des Quartetts, mit Daniel Roberts als zweitem Geiger und Steffan Morris am Cello mit den beiden Herren des Ensembles bestückt, die Komposition nach allen Regeln der Kunst.

Zum Abschluss des Abends gab es dann sozusagen die Erholung für das Publikum. Mit dem zweiten Streichquintett von Johannes Brahms hatte das Castalian String Quartet ein freudvoll klangvolles Werk mitgebracht, das trotz der ursprünglichen Idee des Komponisten nicht sein letztes Werk wurde. Neben der Quartettbratschistin Ruth Gibson kam Isabel Charisius als zweite Bratsche bzw. fünfte Stimme hinzu. Die erweiterte Gruppe ließ das Werk in sowohl sinfonisch leuchtenden Farben glänzen wie es auch die kammermusikalische Seite sorgfältig herausstellte und so insbesondere den beiden Bratscherinnen viele Momente solistischen Strahlens erlaubte. Auch in diesem Stück zeigten die Musiker sorgfältig achtsam aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel, das diese Besetzung so reizvoll macht. Der auch am Ende anhaltende Beifall des Publikums entlockte den Musikern eine Wiederholung des langsamen Satzes, bei dem man eine genau so große Konzentration, aber ein doch auch hörbare Entspannung wahrnehmen mochte, die dem Satz ein friedvolles Flair verlieh.

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