Konzerthaus Wien,
(c) Victoria Coeln

Die um Jordi Savall herum vereinten Musikensembles und Solisten boten im Wiener Konzerthaus beim letzten Abend komplettierend noch die 8. und die 9. Symphonie von Beethoven an. Uwe Krusch hörte sich dieses Konzert an.

Eine Originalklangauslegung dieser Werke ist heute keine wirkliche Überraschung oder gar Erschütterung mehr. Aber vielleicht sollte man sich doch das Denken des Herrn Savall in Erinnerung rufen, der von den ganz alten Musikepochen, also noch vor dem Barock kommt. Und man sollte auch berücksichtigen, wie sich Musiker und Orchester seither, also seit der Beethovenzeit verändert haben. Ihr Hintergrund waren der Barock und das Rokoko und damit Mozart, Haydn und Bach, sowohl hinsichtlich der Technik wie auch des Stils. Und den übertrugen sie auf Beethoven, so sagte Savall einmal.

Wenn man diese Gedanken im Hinterkopf hatte, ließ sich das Konzert leichter hören. Auch gegenüber den vor wenigen Jahrzehnten geübten und auch genossenen romantischen Ansätzen gerühmter Dirigenten mit großen Orchestern.

Le Concert des Nations agierte mit kleiner symphonischer Streicherbesetzung. Und sie zeigten von der flüsternden Kammermusik bis zum vollen, aber immer noch eingehegten Klang im Fortissimo, dass sie diese Werke bestens einstudiert hatten. Bewundernswert, mit welcher detailverliebten Leichtigkeit die Musiker Beethoven Leben einhauchten. Alle Wiederholungen eingeschlossen boten sie mit immer flüssigen bis flinken Tempi auch in den Übergängen ausgezeichnet geformte Szenerien. Mitreißend, elegant und wohltuend antiromantisch mussten sie nichts verschleppen oder bagatellisieren.

Ob die von Jordi Savall gewählten oft sehr raschen Tempi die Musiker nicht an auch den Rand ihrer Spielkunst brachten, mag man hier und da schon gedacht haben. Schwachpunkte waren an dem Abend insbesondere die Hörner. Die schwierig zu spielenden Naturhörner waren schon in der 8. Symphonie sehr wichtig. Und gerade hier kam es zu mehreren äußerst auffällig misslungenen Passagen, so dass man sich fragen konnte, warum andere Hornisten das sicherer bewerkstelligen. Beim dritten Satz fand der Rezensent nicht den Zugang zur Interpretation von Savall. Im Übrigen aber konnten die Gäste mit der Darbietung überzeugen.

Für die 9. Symphonie blieb das Orchester bei seinen Fähigkeiten. Man durfte sich höchstens fragen, ob die im Unterschied zu den früheren romantisch großen Interpretationen der kleinere und flinkere Apparat diesen Aspekt immer bis an die Grenzen des noch spielbaren und damit erfreulich zu hörenden auskosten muss.

Die Höhepunkte dieser Aufführung ließen sich von Chor und Solistenquartett vernehmen. Die Capella Nacional de Catalunya in der Einstudierung von Lluís Vilamajó konnte trotz nur 36 Stimmen machtvoll und überzeugend die Hymne an Freude und Sternenzelt intonieren, wobei sie sogar auswendig sangen, was ihnen mehr Bewegungsfreiheit bot. Diese Mobilität mochte manchen in einer konzertanten Aufführung auch irritieren, aber stocksteife Beamtenmusik ermöglicht keine lebendige Musik. Im abschließenden Prestissimo sicherten die Soprane ihre Tonhöhe und zeigten damit ihre Qualität in herausragender Weise.

Ein sehr homogenes schlankes, ausgewogen-individuelles Solistenquartett mit Lina Johnson, Olivia Vermeulen, Martin Platz und Manuel Walser setzte die weiteren Glanzpunkte. Auch bei ihnen mit durchweg klarer Artikulation wurde energisch und packend gesungen und die Passage „Brüder, überm Sternenzelt …“ verbreitete Ehrfurcht und Erhabenheit, die diese Symphonie ausmacht.

Mit dieser Aufführung bewiesen alle Beteiligten, dass eine historisch informierte Praxis kraftvoll, emotional mitreißend und lebendig sein konnte. Die romantische Sicht vorheriger Jahre konnte man glatt vergessen. Nach der 9. Symphonie hatte Savall trotz seines Alters und seiner momentanen Gehbehinderung noch die Kraft, am Mikrophon eine Friedensbotschaft zu übermitteln, die wohl leider wie üblich weitgehend ungehört verhallen wird.

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