Konzerthaus Wien,
(c) Victoria Coeln

Zum Abschluss des Zyklus ‘Originalklang’ in der laufenden Saison im Wiener Konzerthaus waren Ton Koopman und seine Amsterdam Baroque Choir und Orchestra zu Gast. Zusammen mit Solisten boten sie das als zweites für London entstandene Oratorium Deborah an. Dabei hatte der Komponist Händel nicht zwingend ein glückliches Händchen gezeigt. Dass die Aufführung dennoch auch heute noch das Publikum am Ende zu Ovationen hinreißen konnte, erlebte Uwe Krusch für Pizzicato.

In drei Teilen wird der Kampf um die Befreiung der Juden aus Gefangenschaft thematisiert, wobei Händel nicht strikt der Bibel folgt. Feldherr Barak wird von der Prophetin Deborah zum Kampf aufgefordert. Die gegnerische Sisera bietet an, den Kampf zu vermeiden, was aber weitere Gefangenschaft bedeuten würde. Diese Angebote werden abgelehnt. Nach dem Tod von Sisera endet das Werk mit dem Jubel über die Befreiung mit dem Preis Gottes.

Georg Friedrich Händel

Händel wollte mit dem schnell verfassten Werk künstlerisch wie kommerziell an den Erfolg von Esther anknüpfen. Dazu nutzte er, wie es das Abendprogramm griffig formulierte, Recycling zu Apothekerpreisen. Denn er entnahm fast dreiviertel der Sätze aus seinen früheren Kompositionen. Und er verlangte den doppelten Eintrittspreis üblicher Konzerte, was ihm auf die Füße fiel.

Doch das Werk selber überzeugte zum einen mit seinen zahlreichen exquisiten Chorpassagen. Diesen boten dem Amsterdam Baroque Choir an diesem Abend die Gelegenheit, seine bis zu acht Stimmen mit drei, bei den Sopranen vierfach besetzten Personen prächtig zur Geltung kommen zu lassen. Ausdruckssicherheit und –kraft bei gleichzeitig feiner Durchhörbarkeit mussten jeden Zuhörer erfreuen und tat es auch.

Die Reize des Oratoriums ergaben sich aber auch gerade aus den besinnlichen Passagen wie der Arie des Abinoam, dem Vater des Barak. Mit der Huldigung seines Sohnes aus Stolz schaffte Bass Wolf Matthias Friedrich, in der Arie ‘Tears, such as tender fathers shed’, einen hocheinfühlsamen Moment zu schaffen. Andere Beispiele intensiven Musizierens im langsamen Metrum waren die Arie ‘Hear me then, Jael!’ der Deborah.

Ton Koopman

Die Rollen bei den Gesangssolisten waren uneinheitlich verteilt. Die mit Abstand größten Partien hatten Deborah und Barak zu bewältigen. Die Partie der Deborah wurde von Sophie Junker gestaltet. Sie verfügte über eine üppige, zugleich warme und, wenn es drauf ankam auch sinnliche Stimme, so dass sie ihre Rezitative und Arien überzeugend zeigte. Dynamisch ausgeprägt agierend, frei und schwungvoll und dabei ohne Tadel intonierend formte sie eine Rolle, die zu jeder Zeit verständlich und überzeugend angelegt war.

Neben ihr brillierte ebenso der Countertenor Jakub Józef Orliński als Barak. Sein frisches Agieren erweiterte er hier auch um kraftvolle Aspekte. Mit seinem eher weichen Timbre machte er ein rundes warmes Hörangebot für die Partie. Dabei wusste er mit schmelzender und auch markanter Seite zwischen forte und piano alle Bereiche abzudecken.

In den kleineren Rollen waren Sophia Patsi und Wolf Matthias Friedrich zu erleben. Mit ihrer warmen und gut ausgelegten Stimme schuf Mezzosopranistin Patsi eine plastische Sisera. Bass Wolf Matthias Friedrich legte seine Rolle als Vater Abinoam auch mit einem Hauch Komik an, wusste aber vor allem mit seiner tiefen Stimme die Wucht und Ausstrahlung, die er mit seinem Lob an den Sohn vermitteln wollte, zu bezeugen.

Aus dem Chor konnten Amelia Berridge mit der gar nicht so kleinen Partie der Jael sowie Kieran White und Donald Bentvelsen gestaltungssicher und einprägsam vorgebrachten Beiträgen zu gefallen.

So ein Abend wäre ohne ein passendes Orchester undenkbar gewesen. Das über viele Jahr von Ton Koopman geführte Amsterdam Baroque Orchestra, hier mit Trompeten und Hörnern erweitert, zeigte einmal mehr, dass die Originalklangexpertise frisches und klingendes Muszieren bei feiner und abwechslungsreicher Gestaltung ermöglicht und so ein lebendiges gut gewürztes Wirken ermöglicht, das überzeugt.

Auf allen Positionen bestens besetzt, fügten die Interpreten alle Teile zu einem mitreißenden Ganzen, aus dem sich ein eigenständiges Werk hören ließ, dem man das Recycling nicht anhörte.

 

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