Konzerthaus Wien

Hatten die Wiener Symphoniker schon vor einem Monat ein großformatiges abendfüllendes Werk geboten, so hatten sie diesmal die 8. Symphonie in der zweiten Fassung von 1890 von Anton Bruckner auf die Pulte gelegt. Als Dirigent formulierte Manfred Honeck seine Sicht auf dieses Werk. Uwe Krusch war für Pizzicato im Konzert.

Über die verschiedenen Fassungen der Symphonien von Anton Bruckner und ihre Wertigkeit ist an dieser Stelle nicht zu urteilen. Lassen wir den Erfolg, den die Uraufführung der vom Komponisten selbst überarbeiteten Fassung der Achten hatte, für sich sprechen.

Honeck bot eine Interpretation an, die die so wichtigen Elemente der kompositorischen Architektur der Werke Bruckners, nämlich Klangblöcke, Tempi und Rhythmen, elegant ausformulieren ließ. Dass erreichte er, indem er die innere Dramatik spielen ließ und die Musik nicht zelebrierte. Das äußerte sich in einer intensiven Deutung, die aber nicht einen feierlichen Überdruck herausquellen ließ, sondern transparent und ohne Verluste bei den Klangfarben sich mit großem Atem entfaltete.

Manfred Honeck
(c) Felix Broede

Honeck ließ die Wiener Symphoniker die blockartigen, auch registerhaften Passagen mit der nötigen Eloquenz, also auch Kraft und Wucht spielen, ohne jedoch weihevoll zu strapazieren. Dabei konnte er sich auf ein sehr gut disponiertes Ensemble verlassen, das in allen Registern zu überzeugen wusste. Die Partituren von Bruckner bieten allen voran den Blechbläsern ein lohnenden Betätigungsfeld, das diese Musiker genauso lustvoll strahlend wie auch formschön warm und sensibel zu bedienen wussten. Immer wieder mit besonderer Tonfarbe und auch Rundheit des Klangs fügten auch die Wagner Tuben überzeugend ihren Anteil hinzu.

Auch die Holzbläser, je Register dreifach besetzt, wussten ihre Solo- und Ensemblepassagen mit farbig abwechslungsreichen Beiträgen einfühlsam und formatbringend einzusetzen. Nicht vergessen werden sollten die hier einmalig im symphonischen Schaffen verwendeten Harfen und die Schlagzeuger, die ihre Akzente im Gesamtkonzept ebenso sicher wie markant zu setzen wussten.

Die Streicher mochten auf den ersten Blick mit Tremoloaufgaben nur wenig prägende Elemente abbekommen haben. Doch ebenso wie Bruckner den Mittelsätzen besondere Stellung im seinem Kosmos beigemessen hatte, durften sich hier insbesondere Bratschen und Celli über wichtige impulsgebende Abschnitte freuen, die sie auch dementsprechend mit sicherer gestaltender Hand heraushören ließen. Insgesamt stellten die Streicher ihre Anteile in tonlich vollem Gestus dar, der ein Charakteristikum europäischer Musiktradition ist, der der Interpretation eine weitere Facette an Wärme vermittelte. Dass bei diesem satten Bogenstrich die krispe Brillanz, wie sie amerikanischen Orchestern gern attestiert wird, etwas weniger vermittelt wird, ist ein Nebeneffekt. Konzertmeister Dalibor Karvay zeigte seine Soli hörbar, aber eher eingebettet als aus dem Klang herausragend.

Mochte man die strukturell und musikalisch hervorragende Gestaltung durch Manfred Honeck in den schnellen Sätzen noch einfach so genossen haben, so bot er im langsamen Satz eine derartig dichte und zwischen größerer Geste und doch auch kammermusikalischem Ausdruck farbreich und nuanciert zwingend ausgestaltete Welt, dass er diesen Satz deutlich als den von Bruckner hier in den Mittelpunkt gestellten markierte. In diesem längsten Satz des Werkes mochte man an die vielzitierten himmlischen Längen der Musik von Franz Schubert denken, die hier in andere Form ihren Ausdruck gefunden hatten. Und trotz beinahe einer halben Stunde Dauer gab es nur spannende Momente, die keinen Platz ließen für Unachtsamkeit und Nebensächliches. Hier wurde so innig musiziert, dass man emotional nur niederknien und verharren wollte.

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