Konzerthaus Wien

Eine Feier zum 50-jährigen Bestehen des Kronos Quartet fand im Wiener Konzerthaus in Form eines Konzertes statt. Den Abend, der auch einen doppelten Abschied markierte, hat Uwe Krusch für Pizzicato gehört. Denn das Quartett in seiner aktuellen Besetzung mit David Harrington und John Sherba, Violine, Hank Dutt, Viola und Paul Wiancko, Violoncello, trennt sich im Juni diesen Jahres, da Sherba und Dutt sich zur Ruhe setzen, jedenfalls in Bezug auf das Kronos Quartet.

Das Programm teilte sich in zwei Abschnitte. Zunächst spielten sie aktuelle Werke, nach der Pause präsentierten sie quasi zwei klassische Stücke, bezogen auf das fokussierte Repertoire das Ensembles sowie die Zugaben. Harrington moderierte den Abend. Das gab ihm auch die Gelegenheit, auf zwei besondere Aspekte hinzuweisen. Zum einen wies er auf die Kronos Performing Arts Association hin, beinahe so alt wie das Quartett. Diese betreut Musikalische, pädagogische und dokumentarische Projekte bzgl. der jungen Streichquartettliteratur. Zum anderen erwähnte er, dass diese Organisation vor gut zehn Jahren 50 Quartette unter dem Stichwort ‘Kronos Fifty for the Future’ in Auftrag gab. Dieser Kanon steht Interessierten in Form von Noten, Aufnahmen und Lehrmaterial kostenlos zur Verfügung, so dass sich andere Quartettformationen in die moderne Textur einarbeiten können. Ziel von Kronos ist es, die Zukunft des Streichquartetts über ihren eigenen Horizont hinaus zu unterstützen.

Der erste Programmteil bot einige Werke aus den vorgenannten Projekten. Auch hier zeigte sich einmal mehr, dass das Kronos Quartet über den gewohnten Quartettauftritt weit hinausgeht. Bei den unzähligen, vielfach vom Quartett beauftragten Werken lassen sie sich weder stilistisch noch geografisch einengen und bieten mit Licht- und Sounddesign, anderen einbezogenen Instrumenten und kleinen Requisiten sowie, wenn auch nicht an diesem Abend, weiteren Künstlern als Gäste, Konzerte, die Freunde des arrivierten Quartettbetriebs eher abschrecken, andere dagegen gerade anlocken. Davon zeugten im vollbesetzen großen Saal des Wiener Konzerthauses die mitgealterten Zuhörer, die mit andauerndem Konzert immer mehr ihre Begeisterung zum Ausdruck brachten.

Harrington wies in seinen Anmerkungen auch dar hin, dass innerhalb der 50 Jubiläumskonzerte ein Auftritt in Wien, der Hauptstadt des Streichquartetts, sowohl musikgeschichtlich gesehen wie auch vor dem Hintergrund von 900 aktiven Amateurquartetten in der Stadt eine besondere Herausforderung und auch Freude für sie sei.

Zu den Stücken im Kanon gehört Little black book, dass Jerrilynn Patton, genannt Jlin, beigetragen hat. Benannt nach ihrem kreativen Skizzennotizbuch wollte sie größtmögliche Freiheit beim Klang erreichen.

Mit dem Streichquartett an und für sich ohne äußere Einflüsse beschäftigte sich Aleksandra Vrebalov: in ‘Gold Came from Space’, das in Anwesenheit der Komponistin gespielt wurde. Diese Meditation über die Schönheit und Reinheit der Seele, eines der längsten Werke des Abends, entfaltete mit seinen zahlreichen Facetten eine kurzweilige Dramaturgie.

In einem Arrangement des aktuellen Cellisten des Quartetts, Paul Wiancko, erklang ‘Kiss Yo’ Ass Goodbye’, ein Werk von Sun Ra, mit dem er gegen den Einsatz von Atomwaffen anschrieb und das jetzt von Terry Riley und Sara Miyamoto im Andenken an Sun Ra überarbeitet wurde.

Es folgte der 1. Satz, Lunch in Chinatown, aus ‘This assortment of atoms – one time only!’, einem von 30 Werken, die Terry Riley für Kronos komponiert hat. Dieses Stück zeigte das durchaus auch vorhandene Augenzwinkern, mussten die Spieler sich doch auch sprechend über die Umstände des Treffens von Harrington und Riley, also Lokal, Speisekarte, die Frage des Bezahlens äußern.

Nicole Lizée ist eine Komponistin, die auch in ‘PhoneTap + CCTV’ aus ZonelyHearts aus Quellen wie ‘alten’ Geräuschen aus Videospielen, MTV-Videos und anderen, hier der Serie Twilight-Zone, schöpft und Störungen oder Unvollkommenheiten nachforscht.

Auch mit einem brisanten Thema, nämlich dem Klimawandel, beschäftigte sich die indonesische Komponistin Peni Candra Rini, aus deren Werk Segara Gunung, was Ozeanberg bedeutet, der erste Satz zu hören war. Neben vulkanischen und seismischen Einflüssen ist der ansteigende Meeresspiegel für eine Insel wie Indonesien eine Gefahr.

Nach der Pause folgten Lieblingswerke des Ensembles, von Sofia Gubaidulina das Streichquartett Nr. 4 und von Steve Reich „Different Trains“. Das Quartett konnte auch hier mit seinem Zusammenspiel und der Beherrschung auch ungewöhnlicher Spieltechniken brillieren wie auch ergänzend zur eigenen Interpretation mit zugespielter Musik oder Geräuschen und auch der Lichtregie weitere Effekte erzielen, die durch die Verstärkung weiter gesteigert wurden.

Das Publikum entließ das Kronos Quartet nicht ohne vier Zugaben. Mit dem Komponisten Valentin Silvestrov und dem 3. Satz Intermezzo aus seinem 3. Streichquartett sowie Tashweesh von Ramallah Underground gab es sozusagen tagespolitische Kommentare. Mit dem Evergreen Purple Haze von Jimi Hendrix wurde der elektronische Zusatzklang stark genutzt. Zum Beruhigen gab es von Antonio Haskell ‘God shall wipe all tears away’, einst ein Lied von Mahalia Jackson.

Die Position des Cellos wurde schon öfter neu besetzt. Die Nachfolger der beiden nach 45 bzw. 46 Jahren Mitgliedschaft im Ensemble ausscheidenden Mittelstimmenspieler John Sherba und Hank Dutt stehen mit Gabriela Diaz, Violine, und Ayane Kozasa, Bratsche, bereits fest. Es wird also weitergehen, aber das Kronos Quartet wird nicht mehr dasselbe sein.

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