Antonio Pappano
Photo: Musacchio & Ianniello

Im Wiener Konzerthaus gab es zwei Werke von Berlioz sowie das erste Violinkonzert von Karol Szymanowski zu hören. Solistin war die Geigerin Lisa Batiashvili, die anderen Gäste waren das London Symphony Orchestra und der Dirigent Antonio Pappano. Für Pizzicato hörte Uwe Krusch sich an, wie die Interpretationen gelangen.

Die Musik des in der Ukraine geborenen, aber als polnischer Komponist bekannten Karol Szymanowski brachte mit dem 1. Violinkonzert eine neue Ausdrucksart für die Violine ins Konzertleben. Denn er schaffte ein singuläres Gleichgewicht zwischen Solo und Tutti, in dem die Violine, in der Tonhöhe immer über dem Orchester, ein starkes Gegengewicht zum dem überschäumenden Orchester bildet.

Die Solistin Lisa Batiashvili wusste diese Rolle mit ebenso eleganten wie auch kraftvollen Spiel zu formen. Trotz der enormen Anforderungen über technischen Fragen erhaben, steuerte sie mit ihrem Ton, Klang und auch dem nuancierten Einsatz das Orchester als melodisches Element. Das Orchester verströmte die aus arabischer Kultur und griechischer Mythologie stammenden Einflüsse, die Szymanowski gewonnen hatte. Trotz aller Farben, Wucht und schlichtweg auch Kraft des Orchesters blieb Batiashvili immer die Führende im Ablauf. Bei einer so exquisiten Partnerschaft auf allen Seiten, Solistin, Orchester und Dirigent, kam es zu gegenseitig befruchtendem Ansporn und nicht zu bremsenden Hindernissen.

Lisa Bathiashvili
(c) Sébastien Grébille / Philharmonie Luxembourg

So erlebte das Konzert eine bei aller spielerischen Beherrschung der Elemente eine glutvolle und strahlende Widergabe, die die Frage aufwarf, warum dieses Werk nicht öfter erleben darf. Vielleicht liegt es daran, dass es besonders gewiefter Beteiligter bedarf, um kunstgerecht aufgeführt werden zu können. Die enthusiastischen Beifallsbekundungen beantworteten Batiashvili und Pappano, der nicht nur Dirigent, sondern auch ein ausgezeichneter Pianist ist, mit der Vocalise von Rachmaninov. Denn zum Glück stand für das Konzert benötigte Klavier bereit. Mit einer vollkommen unsentimentalen und gleichvoll innigen Interpretation fügten beide dem Abend ein weiteres Edelsteinchen hinzu.

Eingerahmt wurde das Violinkonzert von der Ouvertüre Le Corsaire sowie der Symphonie fantastique, beide von Hector Berlioz komponiert. Schon die Ouvertüre sollte man als eine Projektion des Ichideals des Komponisten hören, dessen Aufbegehren gegen das störrische Schiff der Musik mit althergebrachten Formen und Traditionen zu einem Piratendasein führte, unabhängig von literarischen Einflüssen. In diesem Sinne formulierten Antonio Pappano und das London Symphony Orchestra bereits die einzelgängerische Stimme des missverstandenen Komponisten. Das furiose Allegro assai des Anfangs schlug schnell in ein lyrisches Andante sostenuto um, um später mit voller Wucht wieder zu kehren. Dirigent und Orchester standen von Beginn an im engsten Kontakt und bewältigten so diese vehemente Eröffnungsmusik mit Bravour.

In der Symphonie fantastique kostete Berlioz sein Selbstbildnis auf andere Weise aus, in der vergeblichen Liebe zu Harriet Smithson. Dieses alle Schichten des Künstlers freilegende Werk bot dem bestens disponierten Orchester reiche Gelegenheiten, als Ensemble wie auch mit solistischen Einzelbeiträgen eine Aufführung zu gestalten, die ihresgleichen sucht. Unermüdlich von Pappano angetrieben und bis in die Details hinein angeleitet, erkundeten die Musiker das Werk in einer kaum einmal zu hörenden Qualität, die alle Schattierungen der fünf Sätze auslotete und gleichzeitig immer auf technisch höchstem Niveau verlief.

Um nach dieser mitreißenden Interpretation die aufgewallten Gemüter, so mochte man sich Berlioz selber in dessen Liebeswahn nahefühlen, wieder zu beruhigen, ließen Pappano und London Symphony Orchestra noch die Pavane von Gabriel Fauré folgen, die sie mit charmanter Sensibilität vortrugen. Nicht nur das bekannte wie einprägsame Flötenthema, sondern die gesamte Pavane ließen sie als zarte und luftige Welt erklingen, die von einigen inspirierenden Holzbläsersätzen und einer Vielzahl von sanften Streichertexturen geprägt wurde. Der dramatischere Mittelteil konnte die Beruhigung der Gemüter nicht aufhalten, so dass das alle den Saal entspannt und stimmungsvoll bereichert verlassen konnten.

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