Franz Welser-Möst
Photo: Don Snyder

Zwei Aufführungen der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach hatten der Dirigent Franz Welser-Möst und die Wiener Philharmoniker zusammen mit Chören und Gesangssolisten und Instrumentalgästen im Wiener Konzerthaus auf den Spielplan gesetzt. Wie die Umsetzung beim zweiten Auftritt gelang, berichtet Uwe Krusch für Pizzicato.

Die Passion hat Bach für jeweils zwei Ensembles, also Chöre und Orchester angelegt, da die Thomaskirche in Leipzig über zwei Emporen verfügte. Und diese vorhandenen Möglichkeiten konnte und wollte er nutzen. Im großen Saal des Wiener Konzerthauses war diese Aufteilung nur auf der Bühne zu jeweils beiden Seiten des Dirigenten nachvollziehbar. Die jeweils nur einfach besetzten Solisten dagegen wurden mittig platziert.

Auch im Stil gab es wohl gegenüber der Zeit von Bach Abweichungen. So war das doppelchörige Orchester beispielsweise mit je acht ersten Geigen moderner Mensur besetzt, also relativ groß. Als ergänzende Instrumente der Zeit waren Blockflöten sowie eine Viola da Gamba und Truhenorgeln eingebunden. Dazu hatten die Philharmoniker Gäste wie Vittorio Ghielmi für den Gambenpart hinzu gebeten.

Insgesamt hatte Franz Welser-Möst die Passion so angelegt, indem er die beabsichtigt großartige, mitunter vielleicht auch opernhaft angelegte Wirkung der Musik nicht leugnete, ohne deswegen den barocken Charakter zu vergessen. Nur sehr vereinzelt wie im Chor ‘Sind Blitze, sind Donner …’ erreichte er eine dramatisch so aufwallende Wirkung, dass man an ein oft opernhaft gelesenes Requiem wie das von Verdi denken musste.

Immer souverän und trotzdem entspannt im Dirigat ohne Taktstock zeigte der Gastdirigent des Orchesters über die fast drei Stunden Dauer durchgehaltene Aufmerksamkeit für alle Beteiligten und Farben der Komposition. Mitunter die Musiker und Sänger auch an langer Leine lassend bot er eine fein durchgestaltete Passion an. Mit durchgehend an Text und Stimmen bestens proportionierten Tempi, mit dem langsamsten Punkt in der Sopranarie ‘Aus Liebe will mein Heiland ..:’ und vielleicht einzig bei der im Tempo etwas zu ambitionierten Tenorarie ‘Geduld, Geduld!’ wusste Welser-Möst das Gefüge zu formen.

Auch auf der Seite der Sängerriege boten sich nur hocherfreuliche bis großartige Leistungen. Der im ersten Teil aktive Kinderchor der Opernschule der Wiener Staatsoper, einstudiert von Johannes Mertl, konnte ebenso mit fabelhaften Gesangsbeiträgen überzeugen wie der Arnold Schönberg Chor, von Erwin Ortner vorbereitet, zu Recht das Publikum mit seiner hoch ausdifferenzierten Gesangskunst begeisterte.

Bei den sechs Solosängern mit großen Partien und den zehn Solisten vom Chor für kurze Soloszenen waren bis auf ein zwei Stimmen nur höchst erfreuliche Beiträge zu erleben.

In jedem Sinne im Mittelpunkt zu erleben war in der Rolle des Evangelisten Julian Prégardien. Er setzte seinen lyrischen Tenor stilsicher und textverständlich ein. Sein Evangelist war zwar nur der Erzähler, aber mit emotionalem Charme wusste er, im Ausdruck dezent und überlegt, seinen Vortrag neben reiner Berichterstattung mit hoher Gestaltungskraft zu personalisieren.

Als Debütant im Konzerthaus war Bariton Liviu Holender als Christus in der zweitwichtigsten Rolle zu erleben. Auch er, wie übrigens alle, bot seinen Text deutlich artikuliert dar. Daneben konnte er mit seinen stimmlichen Mitteln die emotionale Sondersituation des Gottessohnes mit Tiefe und Würde zu vermitteln.

Christina Landshamer gestaltete die Altarien, Anna Lucia Richter die Sopranpartien. Beide wussten, auch in feinstem, gut zueinander passendem Zusammenklang, mit sehr viel Gespür für die Kraft der Musik zu gestalten.

Martin Mitterrutzner setzte seinen kernigen Tenor sehr präzise ein. Ohne Schmelz agierte er präzise und weitgehend kontrolliert. Lediglich die bereits erwähnte Arie „Geduld, Geduld …“ wurde zu einem etwas grell und spitz klingenden Moment. Ludwig Mittelhammer bot mit seinem Bariton hell, lyrisch und zugleich auch ein wenig kernig ebenfalls intelligent zu gestalten. Auch die Chorsolisten boten größtenteils feine Sangeskunst.

So durfte das ohne Lücken besetze Auditorium eine rundum famose Version dieser Passion erleben, bei der man jeden Moment genießen konnte und keine Sekunde des langen Sitzens bedauerte.

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