Christophe Rousset
(c) Eric Larrayadieu

Die Astronomen mögen den Organisatoren von Resonanz, dem alljährlichen Festival Alter Musik im Wiener Konzerthaus verzeihen. Nicht, weil sie die aktuelle Ausgabe unter das Motto ‘Die Planeten’ setzten, sondern dem Eröffnungskonzert den Beinamen ‘Die Sonne’ gaben, ist diese schließlich selber kein Planet. Insofern aber war es ein passender Himmelskörper, als mit der Erstaufführung im Wiener Konzerthaus neue Töne im Hause aufgingen. Uwe Krusch berichtet für Pizzicato.

Zu erleben war Atys von Jean-Baptiste Lully. Obwohl das Sujet selber tragisch endet, war der Abend dank überragender musikalischer Leistungen wie strahlend von der Sonne beschienen.

Diese Tragödie handelt von der Liebe der Göttin Cybele zum Jüngling Atys. Doch hat sich Atys in die Nymphe Sangaride, deren Hochzeit mit König Celænus bevorsteht, verliebt. Die ahnungslose Cybele ernennt Atys zu ihrem Hohepriester und gesteht ihm im Traum ihre Liebe. Atys, von Gewissensbissen geplagt, entscheidet sich für Sangaride. Bevor diese davon erfährt, erklärt sie sich bereit, Celænus zu heiraten. Atys unterbricht die Hochzeitsfeier mit der Behauptung, dass Cybele die Heirat untersagt habe und entschwindet mit Sangaride. Cybele ruft aus Rache die Furie Alecton herbei. Diese verhext Atys, so dass er im Wahn Sangaride für ein Ungeheuer hält und tötet. Wieder zur Vernunft gekommen, ersticht Atys sich selbst. Cybele verwandelt ihn in eine Pinie und betrauert ihn.

Ausgewiesene Experten für diese Musik hatten sich der konzertanten Aufführung angenommen. Das Orchester Les Talens Lyriques, der Choeur de Chambre de Namur sowie viele Gesangssolisten führten unter der Leitung von Christophe Rousset die dreistündige Tragédie en musique in einem Prolog und fünf Akten Atys von Jean-Baptiste Lully auf.

Dass das Orchester Les Talens Lyriques unter seinem Chef Christophe Rousset auf diese Musik bestens eingestellt war, konnte kaum überraschen, haben sie doch schon etliche Werke von Lully, so auch dieses, aufgeführt und eingespielt. Rousset behielt während der gesamten Aufführung, teilweise am Cembalo, teilweise dirigierend, Orchester, Chor und jeweils bis zu vier Stimmsolisten locker, aber packend, am langen Arm und sicherte so einen stringent durchgeführten Abend.

Die Continuogruppe im Orchester Les Talens lyriques hatte einen Großteil der Titel instrumental zu begleiten und bot eine sowohl sichere wie belebende Grundlage für die Gesangssolisten. Das zeugte von sicherem Können, immer präsent auf die Wünsche der Sänger eingehen zu können. Wenn dann die vorwiegend melodisch eingesetzten Instrumente zum Zuge kamen, setzten sie ihre Aufgaben mit charmanter Eleganz und stupender Ausdruckskraft um und boten so energiegeladenes Orchesterspiel. Aufhorchen durfte man für die Instrumentationskunst von Lully nicht nur bei groß angelegten Szenen, sondern hinsichtlich der Klangfarben beim Oboenchor oder im Dialog von Streichern und Blockflöten im dritten Akt. Bekannt aus diesem Werk ist die Schlummerszene, bei der man aufsteigende Seufzer verschiedener Instrumente erleben durfte, die das Aufwachen des Atys bildlich hörbar machten.

Der von Thibaut Lenaerts einstudierte Choeur de Chambre de Namur mit seiner Besetzung von bis zu fünf Personen je Stimmlage bot einmal mehr das Hörbild eines bestens vorbereiteten Chors, der sich mit makelloser Präsenz und Prägnanz immer im Zeitmaß einbrachte.

Bei den Gesangsolisten ragte der Tenor Reinoud Van Mechelen nicht nur wegen der Bedeutung und des Umfangs seiner Rolle als Atys heraus, sondern er war es auch, der seinen Gesang mit Gestik und Mimik untermalte.

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