Augustin Hadelich
© Suxiao Young

Dass die Tschechische Philharmonie die Musik ihrer Landsleute immer besonders im Blick und damit auf dem Programmzettel hat, ist bekannt. In diesem Jahr stellten sie den wohl bekanntesten Tonsetzer, nämlich Antonin Dvorak, in den Mittelpunkt. Für zwei Konzerte mit Werken von ihm kamen sie nach Wien. Uwe Krusch lauschte für Pizzicato am ersten Abend.

Am Beginn bot die Konzertouvertüre In der Natur einen recht sanften Einstieg. Bei den jetzt schon zu warmen Außentemperaturen konnte man dieses tönende Bild eines Sommerabends leicht erkennen. Bychkov ließ das Orchester die stillen Momente des sinnenden Menschen mit genau koordinierender, aber auch Freiräume lassender Hand mit zurückhaltend dosierter Dynamik kunstvoll auskosten. So wurde der dargestellte Abend zu einem zarten Idyll.

Daran schloss sich das Violinkonzert an. An Beliebtheit nach dem Cellokonzert, aber vor dem Konzert für Klavier einzuordnen, erklang das Werk wie üblich in der mit Vorschlägen von Joachim gestalteten späten Fassung, die virtuoser als die ursprüngliche ist. Auch im Zusammenspiel bietet das Stück so manche Klippe, die Ensemble und Solist gemeinsam umrunden müssen. Augustin Hadelich und die Tschechische Philharmonie folgten diesem gemeinsamen Pfad in engster Abstimmung.

Der Solist bot in allen Aspekten eine glänzende Interpretation an. Egal, welcher Aspekt zu betrachten war, er überzeugte in allen. Ob der Ton, den er mit seinem Spiel seiner Guarneri del Gesú zu entlocken weiß, ob eine Technik ohne Schwächen oder die Gestaltung der Musik, in allen Aspekten wusste er mit klarer Linie und exzellenter Gestaltung zu punkten. Dabei hatte er es gar nicht nötig, und wusste sich dabei im Einklang mit dem Orchester und Semyon Bychkov, die böhmisch anmutenden Elemente herauszustellen. Sein Spiel garantierte auch ohne herausgeputzt bühnenwirksame Referenzen eine höchst spannende Auseinandersetzung mit der Materie. In so einer Interpretation wirkte es völlig unverständlich, warum dieses Konzert immer noch wenig Beachtung findet. Zeigt es doch geigerisch und musikantisch Esprit in gelungener musikalischer Einbettung.

Als Symphonie des Abends hatten die Tschechische Philharmonie und ihr Chefdirigent Semyon Bychkov die Achte von Dvorak einstudiert. Dieses Werk mag im Schatten der am Folgeabend zu hörenden Neunten stehen. Für sich genommen entbehrt sie aber keineswegs der hinreißenden Musik, für die Dvorak bekannt ist. Nach einer kleinen Erholungsphase und damit wohl mit frischem Geist geschaffen, sprühte das von Bychkov auswendig dirigierte Stück von Einfällen, die es Dvorak obsolet erscheinen ließen, sich exakt an formelle Vorgaben der Vorbilder zu halten. Vielmehr schuf er seinen eigenen Zugang.

Semyon Bychkov
(c) Petra Hajska

Heuer konnte man eine fein ausgeleuchtete Deutung vernehmen. Bychkov gelang es, einige Schätze der Partitur hörbar zu machen, wie ausgeprägt leise Stellen, die in den Partituren des Komponisten nicht leicht zu finden sind, sowie die mehrfach mit quasi solistisch anmutenden Passagen bedachten Bratschen, also eine Kräftigung der Mittelstimmen. Auch hielt er bei aller Spiellaune das Orchester immer so im Verbund, das jederzeit eine Durchhörbarkeit, auch in stärker instrumentierten Augenblicken, gewahrt blieb. Auch hier folgten die Interpreten ihrem Credo, die Musik aus sich heraus sprechen zu lassen und nicht das Volkstümliche zu betonen. So wurde diese Symphonie zu einem großen Fest für das Ensemble und die Solisten aus seiner Mitte heraus, die alle ihr Können hören ließen und auch den warmen Klang des Orchesters deutlich pflegten.

Diverse Bravorufe schon nach dem Solokonzert und am Ende des Abends forderten Zugaben heraus. Und da gab es auch noch andere Töne zu hören als solche von Dvorak.

Augustin Hadelich hatte in einer eigenen Bearbeitung für Violine solo Por una cabeza von Carlos Gardel vorgestellt. Bei diesem Werk, dessen Melodie und Harmonie mit dem zweiten Couplet von Mozarts Rondo für Violine und Orchester C-Dur übereinstimmen, durfte er noch einmal ganz andere Seiten anklingen lassen. Wobei sich die tiefe Verankerung im volkstümlich Klingenden sowohl beim Konzert wie auch bei diesem Tango heraushören ließ, aber nicht angespitzt wurde. So unprätentiös wie edel und mit eloquentem argentinischem Charme verzauberte Hadelich das Publikum erneut.

Das Orchester hatte dann am Ende des Abends den Ungarischen Tanz Nr. 1 von Johannes Brahms auserkoren und nicht etwa einen slawischen Tanz von Dvorak, wie man vielleicht vermutet hätte. Doch auch diese Sprache beherrschten sie und boten damit einen weiteren Komponisten an. Die Verbindung zu Dvorak bot sich an, da die Violinkonzerte der beiden Komponisten mit dem gleichen Widmungsträger, Joseph Joachim, in engem zeitlichem Zusammenhang entstanden. Das Werk von Brahms machte aber sozusagen seinen Weg von Anfang an mit Joachim, das von Dvorak blieb, ohne dass Joachim es aufgeführt hätte, bis heute im Schatten des anderen. Hätte Dvorak sein Werk vor Brahms veröffentlicht, vielleicht wäre sein Konzert besser angekommen. So aber freuen sich die Hörer, wenn sie denn auch das Dvorak Konzert hören können, zumal so herausragend.

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