Vilde Frang
(c) Marcio Borggreve

Zwei Werke hatten die Wiener Symphoniker bei ihrem jüngsten Konzert auf dem Programm, die beide von Komponisten stammen, die in ihren Heimatländern bis heute beliebt sind und dementsprechend dort häufiger gespielt werden. Aber jenseits der jeweiligen Grenzen spielen sie im Konzertbetrieb, bis auf ausgewählte Werke, kaum eine Rolle. Pizzicato Mitarbeiter Uwe Krusch verfolgte, wie das Orchester mit dem Violinkonzert von Edward Elgar und der Solisten Vilde Frang sowie der zweiten Symphonie von Franz Schmidt zurechtkam.

Nach dem Konzert Anfang Februar mit dem Konzert von Mendelssohn, also einem häufig gespielten Werk, hatte Vilde Frang nun eher eine Außenseiterkomposition vorbereitet. Das Violinkonzert von Elgar hat ebenso wie das von Beethoven die Opus-Zahl 61, doch eine noch größere zeitliche Dauer. Und es stellt Solisten vor mindestens so fordernde Aufgaben.

Frang fand mit stupender Technik und einem sich tief in die Musik hineinversetzenden Ansatz den Zugang zu dem Stück. Es gelang ihr, dieses im Grunde sehr persönliche und intime Werk, das eben kein heldenhaftes ist, mit einer überzeugenden Mischung aus intensivem Ausdruck und zugewandter kammermusikalischer Behandlung zu gestalten. Die großgewachsene Solistin mochte vielleicht ein wenig schlaksig wirken, doch führte sie über die gesamte Werkdauer mit aufmerksamer Intensität und Spannung ihren Solopart aus.

Fabio Luisi

Dazu gestaltete das Orchester unter dem Dirigat von Fabio Luisi die laumalerische Unterstützung. Die Wiener Symphoniker agierten ebenfalls in konzentrierter Manier. Vom Dirigenten zu dezidiert geordnetem und wachem Spiel angeregt, zeigten sie die symphonische Seite des Stückes maßgerecht. Spätestens in der von den Streichern begleiteten Solokadenz des dritten Satzes, die die Techniken pizzicato und tremolando zu einem bezaubernden Klang formten, der gerne als Äolsharfe bezeichnet wird, konnten auch diese Orchestermitglieder sich zeigen. Zuvor waren eher Bläser mit deutlich mehr als soliden Beiträgen in Erscheinung getreten.

So führten die vereinten Bestrebungen zu einer eindrucksvoll intensiven Wiedergabe dieses so selten zu hörenden Konzertes, die zeigte, dass die Qualitäten des Werkes leider viel zu selten zu erleben sind. Nach beinahe einer Stunde gespannt drängenden Musizierens konnte das Publikum keine Zugabe mehr erreichen, aber das wäre auch zu viel des Guten gewesen.

Ist Elgar vor allem auf der Europa vorgelagerten großen Insel zu hören, gegebenenfalls noch in den USA, so beschränkt sich die Möglichkeit, Werke von Franz Schmidt zu erleben, weitgehend auf seine Heimat Österreich. Die zweite Symphonie, beinahe gleichlang wie das Konzert, wurde also sozusagen zu Hause vorgeführt. Auch hier zeigte Luisi sich als elegant auftretender Herr, der auch dieses sehr groß besetzte Werk ohne Taktstock dirigierte und trotzdem die Konzentration und Aufmerksamkeit der Musiker gekonnt zu fesseln vermochte. Dabei zeigte er einen ebenso gepflegten und effektfreien, aber umso klareren Dirigierstil, so dass dieser mit seinem äußeren Auftreten korrespondierte. Frei von Allüren, stattdessen auf die Werke bezogen, koordinierte er die Musiker. Mit ebenso sicherer Hand wie feinfühlender Gestik wusste er die jeweils herausgehobenen Instrumentalisten zum Spiel ihrer solistischen Partien anzuregen und gleichzeitig die Gesamtkonzeption umzusetzen.

Luisi ließ die stilistischen Elemente des Werkes bestens heraustreten. Insbesondere im mittleren der drei Sätze, dem Variationssatz, gelang es dem Kollektiv, die Eigenheiten der Musik besonders anschaulich zu verdeutlichen. Schon der in den ersten vier Variationen angelegte Wechsel zwischen Holzbläsern und Streichern bot diesen beiden Gruppen die Möglichkeit, sich mit gekonntem Spiel zu zeigen. Doch auf das gesamte Stück bezogen, kam das groß besetzte Orchester, so fünf Klarinetten und acht Hörner, immer wieder zum Einsatz, wobei die Struktur dank der Führung von Luisi trotzdem immer durchhörbar blieb. In den kraftvoll wirbelnden Schlusstakten kam es dann zu tonalen Ballungen, aber Luisi behielt das Heft in der Hand, so dass das Orchester bis zum Schluss die Contenance wahren konnte und trotzdem auch aufblühen durfte.

 

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