Andris Nelsons
(c) Marco Borggreve

Nur ein Werk stand jüngst auf dem Programm im Wiener Konzerthaus, nämlich die 7. Symphonie von Gustav Mahler. Diese Komposition ist allerdings vom zeitlichen Umfang und der kompositorischen Dichte her ausreichend für einen Abend. Uwe Krusch hat für Pizzicato im Großen Saal des Wiener Konzerthauses gehört, wie Andris Nelsons die Wiener Philharmoniker durch den Abend steuerte.

Wenn man frühe Fotos von Andris Nelsons sieht und ihn heute auf dem Podium erlebte, dann ist er großwüchsig geblieben und hat auch noch eine raumreifende Statur dazu gewonnen. Dieser Umstand mag für seine Interpretationen unerheblich sein. Aber wenn er die Musik im Kopfsatz dann zügig kraftvoll werden ließ und wenn auch im gesamten Werk die ganz leisen Stellen, denn beispielsweise im Kopfsatz gibt es sie, wie etwa die Vorgabe „pp sehr weich angeblasen“ zeigt, nicht wirklich auskostete, dann zeigte das, dass er das ganze Werk intensiv anlegte. Dabei wäre gerade dieses Orchester in der Lage, leiseste Momente trotzdem noch mit Spannung und Klang zu musizieren.

Damit führte er die Interpretation in eine Richtung, die die in ihr angelegten Nachtmusiken, in denen Trugbilder und Schatten eine Rolle spielen, noch um eine Angst gebierende Komponente erweiterte. Dabei wird doch vielfach diese Symphonie als die freundlichste in Mahlers Schaffen angesehen. Doch ließ Nelsons der Musik nur wenig Freiraum zu einer entspannten leise horchenden Entfaltung. So hielt er allerdings den Bogen der Gestaltung über die gesamte weite Strecke der 80 Minuten und bot damit eine satzübergreifende Gesamtsicht. Dabei hielt er das groß besetzte Orchester zusammen und bis auf wenige Ausnahmen glückten alle gemeinsamen Einsätze und Übergänge.

Nun waren die Wiener Philharmoniker als eines der besten Orchester überhaupt immer in der Lage, trotzdem ein durchsichtiges Klangbild, auch in den massiven Ballungen, zu generieren. Wie bei allen Auftritten mit diesem Ensemble konnte man auch an dem Abend in exzellenten instrumentalen Leistungen schwelgen, die alle üblichen Musiker und Instrumente ebenso auszeichnete wie auch die in diesem Rahmen eher selten anzutreffenden Herdenglocken, Tenorhorn, Mandoline und Gitarre. Dabei glänzten alle Stimmführer mit solistischen Auftritten, dabei in dieser Symphonie insbesondere auch der Konzertmeister, an diesem Abend wohl ein Externer. Wenn auch die Komposition für die Holzbläser schneidende und harsche Akkorde vorgibt, so konnte das nicht darüber hinweg täuschen, dass diese Gruppe ein ausgeprägt gemeinsames Verständnis und Auftreten verinnerlicht hat, das immer schönste Passagen beschert. Auch in herausstechenden Augenblicken schmiegsames Blech rundete den Eindruck aus der Tiefe ab. Die Streicher zeigten in größter Einmütigkeit, wie ein bei allen Beteiligten einheitliches Agieren, etwa bei der Nutzung einer Bogenregion, nicht nur ein optisch einheitliches Bild, sondern vor allem auch einen homogenen Klang formen kann. Nicht zu vergessen die Beiträge der Harfen und der Schlagwerkgruppe, die beide anspruchsvolle Aufgaben mit Bravour bewältigten.

So durften die Zuhörer nach dem Konzert als Ohrenzeugen einer weitgehend  gelungenen Aufführung dieses Mammutwerkes ausgiebig applaudieren und dann ihre Heimreise antreten.

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