Jakub Hrusa
(c) Eric Engel

Dass große und bekannte Werke auf der Bühne immer wieder Erfolg haben, liegt einerseits daran, dass es sich um sehr gute Musik handelt. Das hängt andererseits aber auch davon ab, ob sie entsprechend großartig dargeboten wird. Mitarbeiter Uwe Krusch berichtet für Pizzicato vom Konzert der Wiener Philharmoniker im Konzerthaus, bei dem sie von Jakub Hrusa geleitet wurden.

Am Beginn stand allerdings mit einer Erstaufführung durch die Philharmoniker und erst der zweiten an diesem Ort die Ouvertüre Zarlivost, also Eifersucht, von Leos Janacek. Dieses kurze Werk, ausgehend von einer mährischen Volksballade entwickelt, zeigt mit dem eröffnenden Paukenschlag die typische Handschrift Janaceks. Diese Andeutung einer Liebegeschichte bot den Beteiligten die Möglichkeit, das selten gespielte Stück gleich mit Verve anzugehen, um schon erste Anforderungen zu meistern.

Mit neun Sätzen aus der Ballettmusik zu Romeo und Julia von Prokofiev hatte Hrusa eine Auswahl getroffen, die sowohl innehaltende Seiten wie auch große Szenen bot, damit sich alle Instrumente und Ensembles im Orchester zeigen konnten und nebenbei auch ihn als Dirigenten. Dabei hatten beide es nicht nötig, sich über Gebühr in Szene zu setzen. Da die Musik selber wirkmächtig ist, konnten sich die Beteiligten darauf beschränken, Ihr Können ausdrucksvoll anzuwenden, um die von Prokofiev erdachten Spielarten der Orchestration zu zeigen. Mit brillantem Zusammenspiel, präziser und feiner Artikulation und bestens abgestimmter Intonation überzeugten die Philharmoniker. Hrusa regte das Orchester bestens an, die bildhaft sprechende Musik auszuloten.

Noch eine Spur intensiver wurde es dann bei der 5. Symphonie von Shostakovich. Ob und in inwieweit die Rückkehr zum formalen Aufbau mit vier Sätzen und der Verminderung dissonanter Partien eine Reaktion auf die stalinistische Kritik war oder ob er dieser mit versteckter Ironie im Werk begegnete, bleibt unbeantwortet. Jedenfalls ließ sich die Symphonie mit Anklängen an Mahler, so mit Ländlerrhythmen im zweiten Satz und dem sich spöttisch und triumphal gebenden Finale in jedem Fall als Werk mit biographischer Note hören.

Hrusa gelang es, aus einem zutiefst ausforschend ruhigen Beginn heraus, das Orchester zu einem sinnlichen Kraftpaket zu steigern. Während in klein besetzten Momenten die Solisten des Ensembles ihre Schauseiten zum Tönen brachten, konnte das Kollektiv in den auch Lautstärke und Kraft auskostenden Passagen unter Beweis stellen, dass es trotz aller Muskelanspannung immer ein sensibel durchorganisiertes Ganzes bildete. So blieb selbst in den dicht gesetzten Augenblicken jederzeit eine durchhörbare Struktur erhalten, die jedem Instrument bzw. jeder Gruppe ihren Raum ließ. Dann war es nicht einfach laut, sondern blieb immer noch ein zwar dichtes, aber feines Gewebe. Hrusa und die Wiener Philharmoniker wussten den langen Atem mit prachtvoll aufgebauten Steigerungen wie auch akribisch modellierten Ruhezonen alle Seiten des Werkes zu belichten.

Den Beteiligten gelang es eindrucksvoll, die trotz aller äußerlichen Konformität eingefügten Exzesse hervorzuheben. Insbesondere im letzten Satz erleichtert das eine nicht zu schnelle Wiedergabe, die die Übertreibungen deutlicher werden lässt. Zwar befindet sich jeder Interpret damit nur im Rahmen des als Allegro non troppo bezeichneten Satzes. Aber auch eine solche Vorgabe lässt noch Spielraum. Die Interpreten nutzten diesen, um musikalisch aus sich heraus tragende und mitreißende Darstellung mit musikalischen Mitteln zu schaffen.

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