Der 100. Geburtstag von György Ligeti steht Ende Mai an. Das auf Zeitgenössisches spezialisierte Klangforum Wien hat sich bereits jetzt seiner Werke angenommen. Uwe Krusch hat für Pizzicato im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses diese Hinwendung erleben dürfen.
Zwischen die beiden Aufführungen des Programms an einem Tag hatte das Klangforum Wien noch, sozusagen als Vorkonzert des späten Auftritts, das Poème symphonique für 100 Metronome des Jubilars gesetzt. Die hier wohl genau abgezählten mechanischen Geräte, die durch akustische Impulse gleichmäßige Zeitintervalle mit konstanten Tempi vorgeben, agieren ohne neues Aufziehen bis zu einer Viertelstunde. Durch unterschiedliche Ablaufzeiten und je Gerät eine andere Tempovorgabe entstehen so zunächst intensive Klickwelten, in denen sich rhythmische Muster entwickeln und dann wieder verändern. Die mit dem sukzessiven Stehenbleiben dann immer dünner werdenden Muster enden schließlich in Stille. Dieses eher experimentelle Werk zu erleben ist immer wieder spannend.
Im eigentlichen Konzert bot das Ensemble dann etwa zur Hälfte der Dauer weitere Werke von Ligeti sowie jeweils eines von Claude Vivier und Unsuk Chin. Das längste Werk des Abends, ‘Xi‘ von Unsuk Chin, basierte dem Wortsinn von Xi entsprechend auf einem akustischen Kern, der zum einen an die Komposition anpassbare Einspielungen vom Tonband zugespielt und auch traditionell von den Instrumentation beigetragen wurde. Dieser Kern war dabei so im Geschehen eingebunden, dass man ihn ähnlich eines Atoms im Körper nicht als solchen erkennen konnte. In immer wieder an- und abschwellenden Bewegungen, die man auch als Atemzüge hören mochte, entwickelte sich das Werk bis hin zu geballten Momenten, in denen keine Strukturen mehr vernehmbar waren. Nimmt man an, dass das solistisch besetzte Klangforum nötigenfalls eine klare Strukturierung zeigen kann, lag es wohl an der kompositorischen Absicht der Koreanerin, hier diese massiven Punkte zu setzen. Bei dieser Erstaufführung im Konzerthaus hinterließ diese Komposition vielleicht den geringsten Eindruck.
Mit ‘Bouchara. Chanson d’amour‘ von Claude Vivier trat zu Tonband und Ensemble noch die Sopranistin Daisy Press hinzu. In diesem sparsam instrumentierten Werk entfaltet sich eine unendliche Liebesmelodie. Hier wusste die Sängerin, im mittelblauen kleinen Schwarzen, diese stimmungsvollen Welten mit sensitiver Stimmgebung und intensivem Ausdruck zu heben.
Die drei Werke von Ligeti im Programm rahmten diesen Mittelteil. Beginnend mit dem kurzen Werk Artikulation, bei dem die elektronische Musik auch optisch durch grafische Gestaltungen gezeigt wurde, schloss sich mit dem Kammerkonzert für 13 Instrumentalisten das zweitlängste Werk an. Bereits hier zeigten das Klangforum Wien und die Dirigentin des Abends, Elena Schwarz, ihre phänomenale Vertrautheit mit moderner und zeitgenössischer Musik. Mit sparsamem, aber platziertem Anzeigen der kompositorischen Eckpunkte gab Schwarz den Musikern das Gerüst, in dem diese ihre ausgefeilt präparierten Soli einbrachten. Es machte Freude und bot Genuss, ein Spezialensemble für Neue Musik in seinem Element zu erleben. So wurde dieses Stück zum ersten gespielten Höhepunkt des Abends. Denn der Werktitel zeigt hier kein Konzert als Gegenüberstellung von Soli und Tutti, sondern eine gleichmäßige Verteilung von Soli auf alle an. Und die Darstellung solcher Aufgaben beherrschten diese Musiker ausgezeichnet. Gleichzeitig gelang es ihnen damit, die herausragende Stellung von Ligeti zu verdeutlichen.
Beschlossen wurde der spannende Abend mit einem Feuerwerk an Gestaltung, das überschäumende Erlebnisse bot. Denn ‘Mysteries of the Macabre‘, der Auszug aus der Oper ‘Le Grand Macabre‘ von Ligeti, bot sowohl den Instrumentalisten und ihrer Dirigentin Elena Schwarz wie auch der Sopranistin Daisy Press noch einmal alle Möglichkeiten, sich im besten Sinne zu produzieren. Denn die Ausgangsposition, ein schriller sinnloser Text sowie die Figur im Spannungsfeld von hysterischer Emphase und geheimnistuerischer Übertriebenheit, bietet zu einer reichhaltigen Ausdruckspalette alle Möglichkeiten. Press, jetzt in einen hässlichen körperbetonten und mit Applikationen besetzten grauen Overall gepresst, zeigte diese Verrücktheit mit so eminenter spielerischer Freude gepaart mit gesanglicher Finesse, dass man als zusehender und zuhörender Gast einfach nur vor Begeisterung verrückt werden konnte. Die Sängerin war sich nicht zu schade, sich darstellerisch zu entblößen und eine makaber geniale Schau zu liefern. So wurde Neue Musik zu einem unvergesslichen Erlebnis.