Über die Qualitäten des Belcea Quartet muss ein Rezensent eigentlich keine Worte verlieren. Unter den herausragenden Quartetten dieser Zeit ist es vielleicht das scheinbar unnahbarste. Aber deshalb gelingen ihm vielleicht außergewöhnliche Interpretationen, weil es immer die Werke von sich heraus begreift und dann mit immensem Können umsetzt. Uwe Krusch berichtet .

Beim Abend im Wiener Konzerthaus war für den erkrankten zweiten Geiger Axel Sacher kurzfristig vom Orchester aus Lille kommend die Sologeigerin Ayako Tanaka eingesprungen. Aus Japan stammend, in ungarischer Tradition erzogen, hat sie sich später in den französisch sprachigen Raum orientiert und war dann u.a. Primgeigerin beim Psophos Quartett, jetzt Solistin beim Orchester in Lille.

Wenn man denn überhaupt irgendeine Unsicherheit spüren mochte, dann wirkten die Pizzicati bei Schubert und Connesson ein wenig zu leise und zaghaft. Aber bei der eingespielten Besetzung hätte man diesen Umstand vielleicht als Mittel der Wahl interpretiert. Ansonsten aber fügte sich Tanaka ohne Abstriche in das Ensemble ein. Und auch das Ensemble, insbesondere Bratschist Krzysztof Chorzelski, gab ihr mit engem Sichtkontakt alle Unterstützung. So konnte die bereits vorab in Köln erprobte Besetzung auch in Wien, u.a. bei der dortigen Erstaufführung des zweiten Quartetts von Guillaume Connesson, aus dem Vollen schöpfen. Auch Primaria Corina Belcea wie auch Antoine Lederlin am Cello gaben ihren Teil dazu, um den Abend zum Genuss zu machen.

Mit dem neuen Werk in der Mitte hatte das Belcea ein Stück im Gepäck, das eine ausdrucksstarke Musik bot. Dabei kam dieses Werk ohne kompositorische Spielchen aus, die bei manchem Neuen den Eindruck eines Gewollten hinterlassen, ohne dass es die Musik voranbringen würde. Zwar hatte Connesson gerade im ersten Satz einige diatonische Harmonien und auch Mikrointervalle eingewoben. Diese waren aber als Mittel der Darstellung für die Rezitation eines entfernten Sommergefühls, zum Beispiel an der Meeresküste, von Bedeutung. Diese irgendwo auch wehmütige, aber insbesondere auch positive Stimmung konnte das Belcea Quartet mit stupender Technik und intuitivem Hineinversetzen in die Situation farbnuanciert umsetzen. Auch die anderen drei Erinnerungen als Bilder des Bedauerns eines bestimmten Augenblicks nach Proust fasst das Quartett in prächtig umgesetzte Töne. Im zweiten Satz schienen erste musikalische Erinnerungen des Komponisten auf, die beispielsweise mit Berlioz und Puccini verknüpft sind, während im dritten eine Totenklage auch dunkle Seiten nahebrachte. Beim Selbstportrait im Schlusssatz mit einem ekstatischen Zentrum bot ein lebensbejahendes Selbstbildnis von Connesson. Dieses dem Quartett gewidmete Werk brachte alle Voraussetzungen mit, trotz Modernismen, die aber im Sinne der Aussage eingesetzt wurden, um das Publikum zu fesseln und zwar nicht nur einmal. Der Applaus jedenfalls war deutlich mehr als höflich.

Umrahmt wurde das neue Werk von alten Bekannten, die man trotzdem immer wieder gerne trifft. Mit dem letzten Quartett aus der Jugend von Schubert in Es-Dur spielten sei ein Werk, das noch auf dem Weg zur Meisterschaft den zurückhaltenden Schubert zeigte, der allenfalls zart dosiert Neuerungen ergreift. Doch im Spiel des Belcea wurde auch dieses Werk geadelt.

Am Ende, nach intensiven Applaus mit dem wiederholten Scherzo, hatten sie noch ein französisches Werk, nämlich das Quartett von Debussy, vorbereitet. Dieses noch traditionell ausgerichtete Werk mit der Anlehnung an Cesar Franck unterscheidet sich dann aber in der stilistischen Bandbreite gegenüber den Vorgängern. Debussy verbindet gregorianische Kirchentöne, Zigeunermusik, Gamelanmusik aus Java und bindet neben den französischen Vorbildern noch die russische Schule ein. Das Belcea Quartet kennt alle diese Elemente und wusste sein Spiel wundervoll sowohl kalkuliert wie auch spontan, voller Elan und doch auch Genauigkeit sowie das Detail im Blick und das Gesamtkonstrukt beachtend zu dosieren. Kein Wunder, dass Beifall und Bravorufe nur so prasselten.

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