Jaap van Zweden
(c) Hans Vanderwoerd/IMG

In der laufenden Saison hatten die Wiener Symphoniker alle vier Symphonien von Brahms als Zyklus aufs Programm gesetzt. Dabei hatten sie die konzentrierte Alternative mit jeweils zwei Werken in einem Programm gewählt. Wie sie die dritte und vierte Symphonie mit Jaap van Zweden am Pult darboten, kann Uwe Krusch für Pizzicato berichten.

Dabei war dieser Zyklus noch mit Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada geplant worden. Der hatte aber, nachdem seine Vertragsverlängerung vom Orchester abgelehnt worden war, spontan seine Stelle aufgegeben. Wie diese unschöne Trennung zu bewerten ist, lassen wir hier offen.

Wir können nur beurteilen, wie das Orchester, nunmehr seit beinahe einem Jahr ohne formgebenden Chef, mit dem Gastdirigenten agierte.

Eine klare musikalische Ansage stellte gleich die Eröffnung der 3. Symphonie dar, die, man mag im Hinblick auf die Herkunft von van Zweden aus den Niederlanden eine solche Assoziation haben, wie die Nordsee an den Deich brandete. Im weiteren Verlauf ließ van Zweden dann auch die idyllischeren Töne durchklingen, die bei Brahms in dieser Symphonie wohl am stärksten in dieser Gattung ausgeprägt sein mögen. Doch pflegte das Zusammenspiel mit dem Orchester kraftvolle Impulse zu bevorzugen, was sich auch in nur wenigen ganz leisen und ruhigen Momenten manifestierte.

Das Orchester machte dabei einen engagierten und selbstbewussten Eindruck, so dass van Zweden mit markanter Zeichengebung und gespannter Mimik seine Ideen anzeigen musste. Kleinere ungewollte Solotöne im Streicherapparat und auch mal eine Intonationsnachlässigkeit bei den Bläsern zogen nur punktuell die Aufmerksamkeit vom Gesamtaufbau ab.

Das Gespann Wiener Symphoniker und Jaap van Zweden schuf an diesem Abend eine hörenswerte Interpretation der dritten Symphonie, die mit ihrem rhythmisch herausfordernden Satz eigentlich kein Stück ist, das am Konzertanfang zum Einspielen geeignet wäre. Doch über solche Probleme setzten die Beteiligten sich souverän hinweg. Nach einem die für Brahms typische melancholische Anmut anmutig musizierten dritten Satz führten sie das Werk gekonnt im vierten Satz bis zu seinem leise ausklingenden und damit nicht wirkungsvoll endenden Schluss.

Die vierte Symphonie, auf andere Weise ein so typischer Brahms, nämlich mit der musikalischen Ökonomie dieses norddeutschen Komponisten. So trägt das Stück als Melodie eine fallende Terz mit Wiederholung und Umkehrung als Markenzeichen von vorne bis hinten. Trotz dieser scheinbaren Begrenztheit der Mittel konnte das Orchester die Charakteristika des Werkes sauber herausarbeiten. Der Kopfsatz gelang elegisch balladenhaft, während im langsamen Satz die archaisierende Harmonik deutlich wurde. Im Scherzo wurden Piccolo und Triangel, die den marschartigen Charakter mitbestimmen, subtil deutlich und trotzdem nicht auftrumpfend eingesetzt. Der abschließende Variationensatz auf einem ostinaten Bass bot dann den Beteiligten, beginnend mit den wuchtigen Bläserakkorden, noch einmal Gelegenheit, sich bis hin zu einem klassisch prägnanten Finalschluss zu präsentieren.

Man mag jetzt darüber sinnen, ob ein Orchester, das einen Chefdirigenten an seiner Seite hat, über eine gelungene Vorstellung hinaus eine Interpretation erzielt hätte, die noch stärker in Erinnerung bleiben würde.

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