RSO Wien im Konzerthaus
© Andrea Humer, Wiener Konzerthaus

Stehende Ovationen für das Orchester gab es schon beim Betreten der Bühne und auch am Ende des Konzerts. Diese Anteilnahme rahmte das jüngste Konzert des Radio-Symphonieorchesters Wien im Wiener Konzerthaus, das Uwe Krusch für Pizzicato besuchte.

Grund für diese eindeutige Unterstützungsbekundung war die am 20.Februar öffentlich gewordene mörderische Stellungnahme des ORF Generaldirektors Roland Weißmann, der im Rahmen von Sparmaßnahmen auch das Radio-Symphonieorchester Wien in Frage stellte. In Einleitungsworten hatte Matthias Naske, der Intendant des Wiener Konzerthauses, diese Aussage mitgeteilt. Gleichzeitig bat er um Unterstützung für das Orchester.

Vergleiche sind immer schwierig und man darf das Leid des einen nicht gegen das andere aufrechnen. Aber wenn ein Diktator einen Nachbarstaat überfällt, um ihn abzuschaffen und viele andere Staaten darin eine generelle Gefahr für eine wertebasierte Ordnung sehen, dann kann man die Fatwa über ein Orchester vielleicht auch als generellen Angriff auf die Kultur verstehen. Denn jedes einzelne Ensemble ist wichtig.

RSO Wien im Konzerthaus
© Andrea Humer, Wiener Konzerthaus

Ein Orchester, das allein im Wiener Konzerthaus schon 628 Konzerte gegeben hat mit 107 Uraufführungen und 105 Erstaufführungen, so auch eine an diesem Abend, stellt einen so wesentlichen Teil der Kulturszene der Stadt dar, dass sein Wegfall eine riesige Lücke hinterließe. Denn das würde neben dem Schicksal für die Musiker auch zu einem großen Problem im Konzerthaus führen. Denn dieses Haus würde möglicherweise als nächstes in Frage stehen, weil die Auslastung mangels Konzerten zu gering würde. Jedenfalls kann man solche Weiterungen nicht vollständig ausschließen. (Nach der Besetzung ostukrainischer Gebiete dachte man auch nicht, …)

Warum kommt niemand auf die Idee, bei überteuerten Senderechten für Sportereignisse oder sinnlose Spielshows oder im Wasserkopf einer Institution zu sparen, sondern immer bei der Kultur? Vielleicht genießen heute in der Schule Entscheidungsträger keine humanistische Bildung mehr, sondern nur noch humoristische. Wenn RSO-Intendantin Angelika Möser sagte, das Orchester müsse erhalten bleiben, dann ist das eine sehr wichtige, aber eben nur eine Stimme. Die Meinungen des Publikums sind da vielstimmiger und lauter. Jeden Abend gehen Tausende in kulturelle Veranstaltungen, aber nur einmal die Woche ins Fußballstadion. Insofern war die ungeteilte Unterstützung beim ersten Konzert nach der Ankündigung sehr wichtig.

Doch es gab auch ein richtiges Konzert. Gastdirigent Julian Rachlin, auch als Geiger bekannt, leitete ein osteuropäisches Programm. Den Anfang machte ‘Morgendämmerung an der Moskwa’ aus Mussorgskys Oper Khovanshchina. Diese in der Art eines russischen Volksliedes angelegte Musik bietet ein stimmungsvolles Stillleben. Rachlin war gleich bei der Sache und führte mit publikumswirksam eleganten großen Bewegungen durch den Abend. Der Dirigent ließ das Orchester das Werk farbintensiv ausmalen.

Als Solokonzert war ein alter Klassiker angesetzt, aber mit einer jungen Solisten. Julia Hagen zeigte mit intonationssicherem Spiel und technischer Noblesse in Dvoraks Cellokonzert, dass sie auf höchstem Niveau spielte. Dabei paarte sie die in ihrer jugendlichen Vitalität und damit verbundenen Unerschrockenheit gegebene Seite mit einer durch feinfühlig warmes Spiel geprägten Interpretation, die sie als versierte Künstlerin zeigte. Dank ihrer kommunikativen Musizierhaltung wie auch der Erwiderung hierzu durch das RSO und Rachlin kam es zu einem unmittelbaren Dialog mit hohem gestalterischen Anspruch, der spannend ausgelebt wurde.

Als Zugabe nach intensivem Applaus spielte Hagen den 3. Satz, Intermezzo e Danza Finale, aus der Suite für Violoncello solo von Gaspar Cassado. Hier konnte sie noch einmal eindrucksvoll andere Seiten ihres Könnens aufbieten und schuf ein abwechslungsreich unterhaltsames Kunstwerk.

Nach der Pause erklang die Ballettmusik „Wremena goda“, also Die Jahreszeiten, von Alexander Glazunov. In der Nachfolge der großen bekannten Ballette von Tschaikowsky suchte und fand das kaiserliche Ballett in St. Petersburg in Glazunov einen Komponisten. Mit diesem Divertissement gelang ihm eine stimmungsvolle Charakterisierung des Jahreslaufs. Viele musikalische Aspekte der Ballettmusiken von Tschaikowsky lassen sich auch in diesem Werk finden, etwa schwingend lockere Walzer oder auch ungewöhnliche Klangbilder wie repetitive Töne der kleinen Trommel im Zusammenspiel mit collegno gespielten Geigen. Das RSO Wien und Rachlin boten das vierzigminütige Werk so leichtfüßig und doch auch intensiv abwechslungsreich an, dass die Ballettschritte quasi vor dem geistigen Auge erschienen. Nachher fragte man sich, warum Glazunov zwar in seiner Heimat, aber hierzulande kaum bekannt ist.

Das Orchester hatte sich aufmerksam und agil der Umsetzung der Vorstellungen des Dirigenten gewidmet. Dabei zeigte es seine starken Qualitäten, die an dem Abend vor allem in den Soli der Holzbläser deutlich wurden, ohne deswegen Schwächen anderer Register zu offenbaren. Mit dieser Hingabe und Qualität hat das RSO Wien jede Unterstützung für seinen Fortbestand verdient.

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