The Parisian Symphony; Grétry: Flötenkonzert C-Dur; Arien & Tanz-Divertissements aus Céphale et Procris, Les Deux Avares, Anacréon chez Polycrate, La Caravane du Caire; Gossec: Symphonien op. 8 Nr. 1-3 & op. 12 Nr. 1, 3,5; Sinfonia concertante D-Dur, Sabinus-Ballettsuite; Stamitz: Klarinettenkonzert B-Dur; Kraus: Symphonie D-Dur (VB 143); Pieltain: Violinkonzert Nr. 3; Gresnick: Sinfonia concertante B-Dur für Klarinette, Fagott, Orchester; Lebrun: Oboenkonzert C-Dur; Haydn: Symphonien Nr. 45, 82, 85, 86, Trompetenkonzert Es-Dur H7e: 1, Misera noi, misera Patria; Beethoven: Symphonie Nr. 2; Hérold: Symphonie Nr. 2; Arien von Salieri, Kreutzer, Gluck, Lemoye, J.Chr. Bach, Méhul, Hérold, Spontini; Sophie Karthäuser, Jodie Devos, Jennifer Borghi, Eric Hoeprich, Les Agrémens, Guy van Waas; 7 CDs Ricercar RIC357; 2002-14 (480') – Rezension von Remy Franck & Pierre Schwickerath

Weil die Wiener Klassik eigentlich ein europäisches Projekt war, das in den Musikmetropolen Mannheim, Paris und London mitkreiert wurde, hat sich Ricercar vorgenommen, mit dieser Veröffentlichung den wichtigen Beitrag zu beleuchten, den Paris beigesteuert hat. Zu hören sind Werke, die im 18. Jahrhundert für die berühmten ‘Concerts Spirituels’ entstanden, bzw. zu deren Repertoire gehörten. Die Box feiert gleichzeitig das 20-jährige Bestehen des Ensembles ‘Les Agrémens’.

Nach fünfzig Jahren seines Bestehens hatte das ursprünglich zur Förderung der geistlichen Erbauung von Philidor ins Leben gerufene ‘Concert Spirituel’ kaum noch etwas mit seinen Ursprüngen gemein. Statt Geistlichem stand nun eher vergnügsames Konzertieren auf der Tagesordnung. Der Stil der Zeit war auch in Paris von der Mannheimer Schule geprägt und wurde bereits häufig als ’empfindsam’ bezeichnet. Die gefeierten Komponisten und Solisten kamen zur Freude des Pariser Publikums aus allen Herren Ländern.

Im Rahmen dieser CD-Box mit bereits veröffentlichten Einspielungen und einigen Neuaufnahmen soll das musikalische Klima der Stadt Paris zu dieser Zeit rekonstruiert werden.

Auf dem Programm der sieben CDs stehen unter anderem Werke von vier Komponisten, die alle eines gemein haben: ihre Herkunft aus Wallonien, mit Ausnahme von Gossec sogar allesamt aus der Stadt Lüttich. Neben einer ‘Symphonie Concertante’ für Violine und Violoncello des Genannten und einem Flötenkonzert des sonst als Opernkomponist berühmten André-Modeste Grétry stimmen vor allem die Namen Dieudonné-Pascal Pieltain (1754-1833) und Antoine-Frédéric Gresnick neugierig. Ersterer war ein zu seiner Zeit gefeierter Held der Violine, der kurz nach seiner Entdeckung in Paris vor allem durch ein Duell auf sich aufmerksam machte. Der Weg nach seiner Genesung führte ihn zunächst nach England, später aber wieder zurück nach Lüttich. Sein hier eingespieltes Werk zeigt eine ausgeprägte melodische Kreativität und natürlich technische Raffinesse. Gresnick, dessen ‘Symphonie Concertante’ für Klarinette und Fagott die CD beschließt, überzeugt mit einem enormen Sinn fürs oft sehr witzig Kontrastive, das gelegentlich an die Klangsprache C. P. E. Bachs erinnert. Der abschließende Rondo-Satz mit seinem komischen Zwiegespräch zwischen den Soloinstrumenten und den halsbrecherischen Parallelführungen gehört zu den Höhepunkten der CD – nicht zuletzt dank der von Fagottistin Jane Gower kongenial ausgearbeiteten Kadenzen. Witz und Geist zeichnet auch die Werke Gossecs und Grétrys aus, wobei das Flötenkonzert des Letzteren in den ausnotierten Kadenzen offenbar Rücksicht auf die eingeschränkte Fertigkeit des Auftraggebers nehmen musste.

François-Joseph Gossecs ‘Trois Grandes Symphonies’ sind mit der Sabinus–Ballettmusik und der ‘Symphonie Concertante’ gekoppelt, weitere Symphonien mit dem Klarinettenkonzert von Johann Stamitz und der Symphonie in D von Joseph Martin Kraus. Dass Ensemble ‘Les Agrémens’ gibt der Musik viel Charme und Eleganz, und zusätzlich auch Frische und pralle Farben.

Sophie Karthäuser ist die Solistin in Auszügen aus André-Modeste Grétry ‘Céphale et Procris’. Zusammen mit Guy Van Waas hat sie den richtigen Ton gefunden, um diese Musik aus der Wende vom Barock zur Klassik mit viel Verve und dramatischer Kraft zum Ausdruck zu bringen. Die Stimme ist gefällig, tendiert aber manchmal zum Säuerlichen.

Die so natürlich wirkende Ausgeglichenheit des Orchesters führt in den Haydn-Symphonien zu einem beglückenden Ergebnis, weil sich die einzelnen Register klanglich nicht addieren, sondern komplettieren. Man sollte daher auch in diesem Falle nicht von einem Kräfteverhältnis zwischen Streichern und Bläsern sprechen, sondern die Gesamtpalette der Farben im Auge haben, die zu ganz subtilen Nuancen führt.

Guy Van Waas und ‘Les Agrémens’ kennen die akustischen Phänomene, die mit den physischen Charakteristiken ihrer Instrumente zusammenhängen und sie benutzen sie fachmännisch, um die Haydn-Symphonien von jahrhundertealtem Firnis zu befreien. Darüber hinaus gibt es hier wie auch in der Zweiten Symphonie Ludwig van Beethovens keine besondere Recherche. Die Darbietungen sind jedoch spannend und kraftvoll.

Die letzte CD enthält Orchestermusik und Mezzo-Arien aus Opern von Salieri, Gluck, Lemoyne, Méhul, Hérold und Spontini, und wenn man auch das dramatische Orchesterspiel ohne Abstriche bewundern muss, bleiben die Darbietungen von Jennifer Borghi hinter den Erwartungen zurück. Weder kann sie gestalterisch zufriedenstellen noch stimmlich. Rollende ‘R’s und Vibrato lassen ihren Gesang nicht besonders schön werden.

Die übrigen Solisten der CD-Box liefern durchgehend erstklassige Darbietungen, und man kann dem Orchester, das mit einer frischen Präsenz, musiziert und ganz auf der vorderen Stuhlkante zu sitzen scheint, nicht genügend Lob zollen. Eine in jeder Hinsicht geistreiche, interessante, erfrischend unterhaltsame, empfehlenswerte Veröffentlichung!

This set, released on the occasion of the 20th anniversary of Les Agrémens, brings together recordings of music by composers played in Paris at the end of the 18th century. The performances are vivid and spirited. In the entire program Guy van Waas successfully removed deposits from 200 years of music making.

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