Joseph Joachim: Fantasie über irische Motive + Fantasie über ungarische Motive + Notturno + Romanze op. 2/1; Katharina Uhde, Violine, Radio-Symphonieorchester Warschau, Dennis Friesen-Carper; 1 CD Soundset Recordings SR 1122; Aufnahme 2019, Veröffentlichung 02/2021 (49'01) – Rezension von Uwe Krusch

Wenn eine kurze Komposition von Mozart entdeckt wird, sind die Medien voll, auch wenn es nur ein jugendliches Werk ist und musikalisch, na ja, bessere Folgekompositionen gefunden hat. Wenn zwei lange verschollene Werke von zusammen mehr als dreißig Minuten Dauer von Joseph Joachim auftauchen, findet das kaum Widerhall. Nun gut, bei den Fantasien über irische und über ungarische Motive handelt es sich auch um Werke eines gerade einmal 20-jährigen Aufstrebenden. Die eigentlich schottischen Volkslieder sowie eine Passage, die einer Arie aus Donizettis Oper Lucrezia Borgia ähnelt, schmeichelten in England dem Publikum. Das zweite Werk, à la mode über ungarische Motive sollte den Komponisten nach seiner Herkunft charakterisieren. Diese Werke stellen seinen ersten ernsthaften Versuch dar, virtuose Musik für Violine mit Orchesterbegleitung zu komponieren.

Die frühen Kompositionen im Stile von Airs variés lassen sich mit denen von Zeitgenossen von Ernst bis Vieuxtemps durchaus vergleichen. Dazu haben die Interpreten zwei kurze Kompositionen, ein Notturno und eine Romanze eingespielt.

Katharina Uhde hat nicht nur die Ausgrabung der Werke, sondern auch für die neuzeitliche Erstaufführung und diese erste Einspielung besorgt. Mit seidig schlankem Ton und gemäßigten Tempi lässt sie die Musik erstehen. Dadurch vermeidet sie auch überschießende Brillanz und gibt damit ihrer Interpretation der beiden Fantasien den Versuch, ein musikalisch geprägtes Erscheinungsbild zu bevorzugen.

Unter der Leitung von Dennis Friesen-Carper agiert das Radio-Sinfonieorchester Warschau mit lässig solider Nonchalance. Damit bieten sie ein weiches Bett für die Solistin, ohne ihr den Vortritt zu nehmen. Etwas mehr Eifer und Feuer hätte die neu entdeckten Kompositionen sicherlich auch für heutige Ohren interessanter gemacht und der Solistin eine inspirierende Basis geboten, um die von Joachim gewünschte und mit seinen instrumentalen Fähigkeiten sicherlich auch erzielbare anregende Wirkung erzielen zu können.

When a short composition by Mozart is discovered, the media are full, even when it is a youth work. When two long-lost works by Joseph Joachim of a combined duration of more than thirty minutes turn up, there is hardly any promotion around. Well, the fantasies on Irish and Hungarian motifs are also works by a 20-year-old. The folk songs, which are actually Scottish, as well as a passage resembling an aria from Donizetti’s opera Lucrezia Borgia, flattered the audience in England. The second work, à la mode on Hungarian motifs was intended to show the composer’s origins. These works represent Joachim’s first serious attempt to compose virtuoso music for violin with orchestral accompaniment.
The early compositions in the style of Airs variés can certainly be compared with those of contemporaries from Ernst to Vieuxtemps. In addition, the performers have recorded two short compositions, a Nocturne and a Romance.
Katharina Uhde was not only responsible for finding the works, but also for the modern premiere and this first recording. She enlivens the music with a silky, slender tone and moderate tempi. In this way, she also avoids excessive brilliance and thus gives her interpretation of the two fantasies an attempt to favor a musically marked appearance.
Under the direction of Dennis Friesen-Carper, the Warsaw Radio Symphony Orchestra performs with casually solid nonchalance. In doing so, they provide a soft bed for the soloist. A little more zeal and fire would certainly have made the newly discovered compositions more interesting for today’s ears and offered the soloist an inspiring basis to be able to achieve the stimulating effect desired by Joachim.

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