Rafael Kubelik - The Collection of East Classics; Dvorak: Symphonien Nr. 7 & 9 + Klavierkonzert op. 33 + Slawische Rhapsodie op. 45 Nr. 3 + Slawische Tänze Nr. 1-16 (op. 46 & 72) + In der Natur op. 91 + Karneval-Ouvertüre op. 92 + Othello op. 93 + Symphonische Variationen op. 78 + Cellokonzert op. 104 + Scherzo capriccioso; Martinu: Symphonie Nr. 4 + Die Fresken von Piero della Francesca + Doppelkonzert für Klavier, Pauken, 2 Orchester + Memorial to Lidice; Smetana: Mein Vaterland + Orchesterstücke aus Die verkaufte Braut; Bartok: Konzert für Orchester + Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug, Celesta + 2 Portraits op. 5; Janacek: Sinfonietta + Taras Bulba; Mussorgsky: Bilder einer Ausstellung; Borodin: Symphonie Nr. 2 + Polowetzer Tänze aus Fürst Igor; Shostakovich: Symphonie Nr. 9; Tchaikovsky: Symphonie Nr. 6 Pathétique; Rudolf Firkusny, Pierre Fournier, Wiener Philharmoniker, Czech Philharmonic Orchestra, Royal Philharmonic Orchestra, Chicago Symphony Orchestra, Rafael Kubelik; 10 CDs Profil PH19019; Aufnahmen 1946-1960, Veröffentlichung 11/2019 (738') - Rezension von Remy Franck

Als achtes Kind des damals weltberühmten Geigenvirtuosen Jan Kubelik begann Rafael Kubelik (1914-1996) seine Karriere in den Dreißigerjahren in Prag. 1948 verließ er sein Heimatland aus Protest gegen die kommunistische Diktatur. In Europa und den USA gelangte er dann zu größtem Ansehen. Rafael Kubelik ist einer der Dirigenten, den die Musikwelt nicht vergessen darf.

Die erste CD bringt gleich eine Spezialität von Kubelik zu Gehör, die tänzerisch-farbigen Slawischen Tänze von Antonin Dvorak. In diesem Repertoire ist Kubelik einer der Besten.

Absolut genial ist auch die Aufnahme der 9. Symphonie, die man hier ‘Blick zurück in die Alte Welt’ nennen möchte, so sehr ist sie vom Heimweh des in den USA weilenden Komponisten getränkt. An der Spitze der Wiener Philharmoniker dirigiert Kubelik eine der emotionalsten und mit ihren kräftigen Kontrasten und bedeutungsvollem Rubato in allen Hinsichten aussagekräftigsten Aufnahmen dieser Symphonie.

Herausragend gut ist auch die Siebte von Dvorak, sehr inspiriert, frisch fantasie- und spannungsvoll tief empfunden und rhetorisch. Dagegen ist Kubeliks  Berliner Einspielung nur ein matter Abklatsch.

Die dritte CD ist eine wahrhaft historische, denn die Aufnahmen des Klavierkonzerts mit Rudolf Firkusny und den Ouvertüren Im Reich der Natur, Karneval und Othello stammen von 1946 und wurden mit der exzellenten Tschechischen Philharmonie gemacht. Während die Symphonischen Variationen, 1957 live in Edinburgh aufgenommen, klanglich zu wünschen übrig lassen, klingt das 1948 aufgenommene Cellokonzert mit Pierre Fournier und dem Philharmonia Orchestra, obwohl monophon, doch recht gut, füllig und klar konturiert.

Fournier machte zwar später zwei weitere Aufnahmen des Dvorak-Konzerts, 1954 erneut mit Kubelik und den Wiener Philharmonikern (Decca) und Anfang der 1960er Jahre mit Szell und den Berliner Philharmonikern für DG. Fournier selbst soll die Aufführung von 1948 besonders geschätzt haben. Und tatsächlich ist dies wohl eine der spannendsten Einspielungen, die je von diesem Werk gemacht wurden. Kubelik dirigiert inspiriert und hoch expressiv und führt das Philharmonia zu einer brillanten Leistung. Pierre Fournier ließ sich davon mitreißen und spielt die von seinen drei Aufnahmen dramatischste und eloquenteste.

Bedrich Smetanas Ma Vlast (Mein Vaterland) mit den Wiener Philharmonikern wurde 1960 aufgenommen, eine von vielen Aufnahmen, die Kubelik von diesem Zyklus machte, und die zupackendste, spannungsvollste und dramatischste. Gleich Vysehrad lässt in einer sehr lebendigen und unmittelbaren Interpretation aufhorchen. Mit nur 11’25 fließt die Moldau recht schnell dahin, und in den Stromschnellen ist der Fluss ungemein mächtig. Das unwiderstehlich tänzerische Sarka, ein opulent-prächtiges Aus Böhmens Hain und Flur folgen, ehe die zwei sehr spannungsgeladenen und kriegerisch-hymnisch gestalteten Stücke Tabor und Blanik den Zyklus beenden.

In einer sehr präsenten und gut strukturierten Monoaufnahme von 1951 mit dem Philharmonia Orchestra dirigierte Kubelik in fulminant-quirligen, rhythmisch geschärften, fein ziselierten und extrem farbigen Interpretation die Ouvertüre und Tänze aus Smetanas Die Verkaufte Braut. Einige Jahre später 1958 nahm der Dirigent Dvoraks Scherzo Capriccioso in einer nicht weniger prägnanten Interpretation auf. Dasselbe Orchester dirigiert er in Bartoks Konzert für Orchester, in einer das Moderne der Komposition betonenden, sehr guten aber nicht wirklich außergewöhnlichen Aufnahme. Auch die folgenden Einspielungen, Janaceks Sinfonietta, Taras Bulba, Martinus Doppelkonzert und seine 4. Symphonie, Bartoks Musik für Streicher Schlagzeug und Celesta sind gut, leiden aber etwas unter einer manchmal ‘topfigen’ Klang, besonders wenn es sich um alte Einspielungen aus Prag handelt.

Mussorgskys Bilder einer Ausstellung in der Orchestrierung von Ravel wurden 1950 mit dem Chicago Symphony aufgenommen. Es ist eine der legendären Mercury Living Presence Aufnahmen in Mono, die durch die Aufnahmetechnik schon fast einen Stereo-Eindruck vermitteln. Kubeliks Interpretation ist spannungsvoll und recht zupackend bis nervös und klanglich sehr frisch. Das Orchester klingt grandios.

Auf derselben CD ist Musik von Borodin zu hören, 1960 aufgenommen mit den Wiener Philharmonikern. Kubelik dirigiert eine spannende und farbige, rhythmisch packende Aufnahme der Zweiten Symphonie und der Polowetzer Tänze.

1945 schon wurde Shostakovichs Neunte Symphonie mit der Tschechischen Philharmonie aufgenommen: es ist eine sehr inspirierte, in den langsamen Sätzen feinfühlige, in den schnellen Sätzen quirlig-verspielte und sehr virtuose Einspielung, die klanglich erstaunlich gut ins Digitalzeitalter herüber gerettet wurde. Die zehnte und letzte CD der Box endet mit einer Wiener Stereo-Aufnahme (1960) von Tchaikovskys Pathétique, elegant musiziert, klanglich sorgfältig aufbereitet, aber Kubelik geht hier definitiv der Sache nicht auf den Grund. Trotz dieser kleinen Enttäuschung gibt es in dieser Box so viele gute und wichtige Aufnahmen, dass man sie jedem empfehlen kann, der von etlichen Werken die ganz persönliche Sicht Kubeliks kennen lernen will.

As the eighth child of the world-famous violin virtuoso Jan Kubelik, Rafael Kubelik (1914-1996) began his career in the 1930s in Prague. In 1948 he left his home country in protest against the communist dictatorship. In Europe and the USA he then achieved the greatest prestige. Rafael Kubelik is one of the conductors whom the music world must not forget.
The first CD immediately features one of Kubelik’s specialities, the dance-like Slavonic Dances by Antonin Dvorak. Kubelik is one of the best in this repertoire.
The recording of the Ninth Symphony is also absolutely brilliant. We should call ‘A Look Back at the Old World’, so much so that it is imbued with the homesickness of the composer. At the head of the Vienna Philharmonic, Kubelik conducts one of the most emotional and, with its strong contrasts and meaningful rubato, in all respects expressive recordings of this symphony.
Dvorak’s Seventh is also outstandingly good, very inspired, freshly imaginative and suspenseful, deeply felt and rhetorical. In comparison, Kubelik’s Berlin recording, is rather poor.
The third CD is a truly historic one, as the recordings of the Piano Concerto with Rudolf Firkusny and the overtures In Nature’s Realm, Carnival and Othello date from 1946 and were made with the excellent Czech Philharmonic Orchestra. While the recorded sound of the Symphonic Variations, taped live in Edinburgh in 1957, is rather weak, the Cello Concerto with Pierre Fournier and the Philharmonia Orchestra, recorded in 1948, sounds, although monophonic, quite good, full and clearly contoured.
Fournier later made two further recordings of the Dvorak Concerto, in 1954 again with Kubelik and the Vienna Philharmonic (Decca) and in the early 1960s with Szell and the Berlin Philharmonic for DG. Fournier himself is said to have particularly appreciated the 1948 performance. And indeed, this is probably one of the most exciting recordings ever made of this work. Kubelik is inspired and highly expressive and leads the Philharmonia to a brilliant performance. Pierre Fournier let himself be carried away by this and plays the most dramatic and eloquent of his three recordings.
Bedrich Smetana’s Ma Vlast (My Country) with the Vienna Philharmonic was recorded in 1960, one of many recordings Kubelik made of this cycle, and the most gripping, exciting and dramatic. His account of Vysehrad is very lively and immediate. At only 11’25, the Vltava River flows by quite fast, and in the rapids the river is immensely powerful. The irresistibly dancing Sarka, an opulent and magnificent From Bohemia’s Meadows and Field follow before the two very tense and hymnic pieces Tabor and Blanik bring the cycle to a close.
In a very present and well-structured mono-recording from 1951 with the Philharmonia Orchestra, Kubelik conducts the overture and dances from Smetana’s The Bartered Bride in a brilliant, whirling, rhythmically sharpened, finely chiselled and extremely colourful interpretation. Later, in 1958, the conductor recorded Dvorak’s Scherzo Capriccioso in a no less concise interpretation. He is conducting the same orchestra in Bartok’s Concerto for Orchestra, in a very good but not really exceptional recording that emphasizes the modernity of the composition. The following recordings, Janacek’s Sinfonietta and Taras Bulba, Martinus Double Concerto and his 4th Symphony as well as Bartok’s Music for Strings, Percussion and Celesta are also good, but suffer a little from a sometimes ‘potty’ sound, especially in the old recordings from Prague.
Mussorgsky’s Pictures at an Exhibition in Ravel’s orchestration was recorded with the Chicago Symphony in 1950. It is one of the legendary Mercury Living Presence recordings in mono, which almost gives a stereo impression due to this extraordinary recording technique. Kubelik’s interpretation is full of tension, agitated and very fresh in sound. The orchestral sound is magnificent.
The same CD features music by Borodin, recorded in 1960 with the Vienna Philharmonic Orchestra. Kubelik’s amount of the Second Symphony and the Polovtsian Dances is exciting and colourful
Shostakovich’s Ninth Symphony was recorded in 1945 with the Czech Philharmonic: it is a very inspired, sensitive in the slow movements, lively and playful in the fast movements. The recording has been astonishingly well remastered. The tenth and last CD of the box ends with a stereo recording (1960) of Tchaikovsky’s Pathétique, elegantly played by the Vienna Phil, but Kubelik definitely does not get to the bottom of it here. Despite this small disappointment there are so many good and important recordings in this box that it can be recommended to anyone who wants to get to know Kubelik’s very personal view of several works.

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