Taylor Brook: Wane; Reiko Füting: Tanz.Tanz; Victor Lowrie: Streya; Missy Mazzoli: Vespers for Violin; Ned Rothenberg: Percorso insolito; Samson Young: Ageha.Tokyo; Olivia De Prato, Violine; 1 CD New Focus Recordings FCR193; Aufnahmen 11/2015, 09/2016, Veröffentlichung 03/2018 (45'04) – Rezension von Uwe Krusch

Wer diese Scheibe einlegt, bekommt erst einmal den Knüppel auf den Kopf. In der Hoffnung, den Leser mit diesem Einstieg nicht vom weiteren Lesen abzuhalten, darf nachgeschoben werden, dass es dann anders weiter geht und zwar spannend. Die Geigerin Olivia Da Prato hat sechs stilistisch sehr verschiedene Werke für Violine solo, teilweise mit elektronischen Zuspielungen, für eine Dreiviertelstunde moderner Klänge aufgenommen. Neben dem persönlichen Kontakt der Solistin mit den Komponisten eint letztere, dass sie jeweils diverse kunstbezogene Tätigkeiten ausüben und alle Bezüge zu außereuropäischen Musiktraditionen haben und verarbeiten.

Das erste Stück nun, ‘Ageha.Tokyo’ von Samson Young, ist nach dem japanischen Wort für den Schwalbenschwanz (Schmetterling) benannt, aber auch nach einem Schwulenclub in Tokio. Es nutzt reichlich elektronische Zuspielungen, die der Rezensent generell in der Musik, in der sich Pizzicato bewegt, nicht präferiert. Trotzdem ist es ein spannend wildes Stück.

Das für die CD titelgebende ‘Streya’ von Victor Lowrie und die beiden folgenden Stücke ‘Percorso insolito’ von Ned Rothenberg sowie ‘Wane’ von Taylor Brook sind erst für diese Aufnahme entstanden. Ein ferner Stern, eine überraschend abenteuerliche Wanderung sowie Klangeffekte aus der Zuspielung von vier weiteren Tapes der Solistin mit jeweils minimal skordierten Saiten sind die Hintergründe dieser Stücke. ‘Tanz.Tanz’ von Reiko Füting vertont die Analyse von Helga Thoene über die Chaconne aus der Partita für Violine solo von Bach. ‘Vespers for violin’ wurde von Missy Mazzoli ebenfalls mit elektronischen Tönen ergänzt und ist die komplette Umarbeitung von ‘Vespers for a New Dark Age’.

Natürlich muss man diese Art von Musik mögen, deren ältestes Stück gerade einmal zehn Jahre alt ist. Aber wenn die Ohren bereit sind und der Geist wach ist, dann eröffnen sich mit jedem Werk neue Welten und Sichten – und plötzlich bedauert man, dass die CD leider schon zu Ende ist. Also gleich noch mal hören.

Olivia Da Prato hat sich dieser Kompositionen wie eine Mutter ihren geliebten Kindern angenommen und verfügt über die technischen und darstellerischen Mittel, diese jungen Musikwelten mitreißend zu musizieren.

Olivia Da Prato has collected six contemporary pieces for solo violin, partially written for this occasion. Each work includes aspects from non-European music. The soloist has an as committed as easy access to this music and performs it on an outstanding technical level.

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