Anna Netrebko – Amata Dalle Tenebre; Strauss: Es gibt ein Reich, wo alles rein ist (Ariadne auf Naxos); Verdi: Ritorna vincitor! ... Numi, pieta (Aida) + Tu che le vanita conoscesti del mondo (Don Carlo); Wagner: Dich, teure Halle, grüß ich wieder (Tannhäuser) + Einsam in trüben Tagen (Lohengrin) + Mild und leise, wie er lächelt (Tristan und Isolde); Cilea: Poveri diori, gemme de' prati (Adriana Lecouvreur); Puccini: Un bel di vedremo (Madama Butterfly) + Sola, perduta, abbandonata (Manon Lescaut) + Purcell: Thy hand, Belinda ... When I am laid in earth (Dido and Aeneas); Anna Netrebko, Sopran, La Scala Orchestra, Riccardo Chailly; 1 CD Deutsche Grammophon  4860531; Erscheinungstermin: 5.11.2021 Aufnahme 2020 & 2021, Veröffentlichung 05.11.2022 (78) - Rezension von Remy Franck

Von Ariadne über Aida, Elisabeta, Elsa, Cio-Cio San und Dido bis hin zur Isolde: Anna Netrebko hat für ihr Recital ein deutsch-italienisches Programm zusammengestellt, dem es an Kohärenz fehlt. Aber sie appliziert die Pracht ihrer Stimme auf alle Rollen und reüssiert in vielen Fällen. Auffallend ist auch, dass die Stimme noch reicher und opulenter geworden ist, mit einer exzellenten Präsenz im tiefen Register. Dieser gewonnene Reichtum erlaubt dann auch etwas, was in der Vergangenheit oft fehlte, mehr glaubwürdiges Drama.

In den italienischen Rollen führt das mit fiebrigem Gesang zu einer perfekten Charakterisierung der Aida und mit feinen Differenzierungen zu einer sehr emotionalen Elisabetta. Als Manon in Puccinis Oper kann sie die Unsicherheit und Angst der Protagonistin hundertprozentig und mit grandiosem vokalem Engagement wiedergeben. Der Adriana aus Giordanos Oper bleibt die Netrebko allerding immer noch etwas an echt wirkender Charakterisierung schuldig. Im Vergleich zur Callas klingt ihre Interpretation immer noch etwas aufgesetzt und gemacht statt erlebt. Auch die Cio-Cio San gelingt der Sängerin nicht sehr gut, die Arie ist schön und einfühlsam gelungen, aber Netrebko ist nicht Butterfly.

In der einzigen russischen Arie, jener der Lisa aus Pique Dame ist die Netrebko auf ihrem Terrain und wirklich untadelig, genau wie im Lamento von Purcells Dido.

In den deutschen Arien fehlt mir der wirkliche Enthusiasmus, die genuine Begeisterung der Elisabeth im Tannhäuser, und die Elsa-Arie ‘Einsam in trüben Tagen’ wirkt in einem sehr gelernt klingenden Deutsch ebenfalls recht ‘gemacht’. Aber das ist nichts gegen den bloß gesungenen und keinesfalls erlebten Liebestod der Isolde, der ganz auf Sicherheit und ohne Funken Beteiligung abgewickelt wird. Der sonst mit dem Scala-Orchester gut begleitende Chailly bleibt im langsamen Tempo ebenfalls ausdruckslos. Fazit: Netrebko auf Wegen und Abwegen.

From Ariadne to Aida, Elisabeta, Elsa, Cio-Cio San and Dido to Isolde: For this recital, Anna Netrebko has put together a German-Italian program that lacks coherence. But one thing cannot be denied: She applies the splendor of her voice to all roles and succeeds in many of them. It is also noticeable that the voice has become even richer and more opulent, with an excellent presence in the lower register. This gained richness then also allows for something that was often lacking in the past, more credible drama.
In the Italian roles, this leads with feverish singing to a perfect characterization of Aida and with many nuances to a very emotional Elisabetta. As Manon in Puccini’s opera she is able to render the protagonist’s uncertainty and fear one hundred percent and with terrific vocal commitment. But Netrebko is still not a very good Adriana in Giordano’s opera. Compared to Callas, her interpretation still sounds a bit odd and ‘made’ instead of lived. The singer also does not succeed very well as Cio-Cio San; the aria is beautifully and sensitively sung, but Netrebko is not Butterfly.
In the only Russian aria, that of Lisa from Pique Dame, Netrebko is on her terrain and really excellent, just as in the Lamento from Purcell’s Dido.
In the German arias I miss the real enthusiasm, the genuine joy of Elisabeth in Tannhäuser, and the Elsa aria ‘Einsam in trüben Tagen’ also seems quite laboured in a very learned-sounding German. But that’s nothing against the merely sung and in no way experienced Liebestod of Isolde, which is handled quite safely and without a spark of involvement. Chailly, who otherwise accompanies well with the Scala orchestra, also remains expressionless. Conclusion: Netrebko, right and wrong.

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