Nach den Sparvorschlägen des Landesrechnungshofes in Baden-Württemberg gibt es heftigen Protest von vielen Seiten. Wie Pizzicato bereits am 12. Juli angekündigt hatte (Link), fordert dieses Gremium die fünf Musikhochschulen des deutschen Bundeslandes auf, die künstlerischen Studienplätze von aktuell über 2.500 auf 2.000 zu kürzen sowie Studiengebühren von mindestens € 2.000 pro Semester für ausländische Studierende, die aus Staaten außerhalb der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) kommen, einzuführen. Mit diesen Änderungen sowie den geplanten Globalbudgets für jede Hochschule sollen insgesamt rund € 5 Mio. jährlich eingespart werden.
Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates schreibt: « Die Musikhochschullandschaft in Deutschland genießt weltweit eine einmalige Reputation, und die Hochschulen leisten einen erheblichen Beitrag zur Förderung der Kulturellen Vielfalt. Die Studierenden aus dem Ausland tragen zum interkulturellen Dialog bei und sind nicht zuletzt Botschafter für das Musikland Deutschland. Die Vorschläge des Landesrechnungshofes Baden-Württemberg gefährden dieses international bewunderte Ausbildungssystem. Bildungs- und Kulturpolitik lassen sich nicht mit dem Rechenschieber gestalten.
Die Musikhochschulen sind komplexe Einrichtungen, die für eine enorm große Bandbreite an Berufsbildern qualifizieren. Die Frage ist nicht, warum sich so viele Studierende aus dem Ausland für diese Ausbildungswege entscheiden, sondern warum es vergleichsweise wenig Studierende aus Deutschland gibt.
Das Kernproblem ist, dass Kindern oft bereits im Vorschulalter die Teilhabe an kulturellen Angeboten aufgrund von Kürzungen verwehrt bleibt. Wenn je nach Bundesland bis zu 80% des Musikunterrichts an der Grundschule ausfallen oder fachfremd unterrichtet werden, ist es kein Wunder, dass Kinder und Jugendliche auf ihrem Ausbildungsweg die Musik aus den Augen verlieren und sich für andere Berufszweige entscheiden bzw. dem starken Konkurrenzkampf mit den sehr gut ausgebildeten Mitbewerbern aus dem Ausland nicht standhalten können. So bleiben viele kreative Potentiale ungenutzt. Eine ganzheitliche Lösung des Problems liegt somit in der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Musikalische Bildung in Deutschland. Wir brauchen mehr und nicht weniger Ausbildungskapazitäten für die vielerorts noch nicht bedarfsgerecht finanzierten Musikhochschulen. Dies erfordert eine neue Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen, z.B. durch die Aufhebung des Kooperationsverbotes.“
Der Deutsche Musikrat schickte zudem einen Offenen Brief an den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg:
« Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Kretschmann,
Baden-Württemberg genießt bundesweit den Ruf als Musterländle für die Musik, für Musikalische Bildung und die hochqualitative Förderung junger Nachwuchsmusikerinnen und Nachwuchsmusiker – noch! Die derzeit diskutierten Kürzungen an den Musikhochschulen im Land verdunkeln das Bild einer blühenden Musiklandschaft, sodass man sich die Frage stellen muss, wie es zukünftig um die Kulturelle Vielfalt und die Reputation als Musikland in Baden-Württemberg bestellt ist. Wird es zukünftig auch in der Musikhochschullandschaft eine Zweiklassengesellschaft mit Musikhochschulen und Musikhochschulakademien geben?
Trossingen ist die bundesweit einzige Musikhochschule im ländlichen Raum. Dieses Alleinstellungsmerkmal und die Tatsache, dass die Hochschule in hohem Maße zum Kulturleben beiträgt und einen bedeutenden Standortfaktor für das Wirtschaftsleben einer ganzen Region bildet, werden scheinbar aus den Augen verloren. Die vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst vorgeschlagenen Kürzungen werden als Qualitätsverbesserung und Profilschärfung verkauft. Letztlich geht es schlicht um eine schrittweise Schließung. Dabei drängt sich die Frage auf: Ist das grüne Kulturpolitik? Die offenkundige Geringschätzung im Wissenschaftsministerium für die Bedeutung der Musik und die Degradierung der Kultur zur „Bespaßung der Region“ helfen dabei weder den Musikerinnen und Musikern noch den Bürgerinnen und Bürgern im Land.
Jede einzelne Musikhochschule ist ein komplexes Gebilde. Alle fünf Hochschulen besitzen nicht nur als Leuchttürme der Kulturellen Vielfalt nationale und internationale Strahlkraft, sondern tragen auch in erheblichem Maße zum positiven Erscheinungsbild des Landes im öffentlichen Bewusstsein bei. Die geplanten Kürzungen hätten bundesweit und international eine fatale Signalwirkung – auch im Hinblick auf die Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Kulturellen Vielfalt.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, in der Überzeugung, dass Sie die große gesellschaftspolitische Bedeutung der Musikhochschulen in Ihrem Land kennen und schätzen, bitte ich Sie, die fünf Standorte der Musikhochschulen in ihrer Qualität zu erhalten und ein Entwicklungskonzept anzustoßen, das mit der Zielrichtung einer bedarfsgerechten Ausstattung der Musikhochschulen diesen Namen auch verdient.
Mit besten Grüßen
Christian Höppner
Generalsekretär des Deutschen Musikrates
Vizepräsident des Europäischen Musikrates
Vor dem Hintergrund der geplanten Kürzungen und Umstrukturierungen an den baden-württembergischen Musikhochschulen hat die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim eine Online-Petition zum Erhalt der Klassikausbildung in Mannheim gestartet.
Diese kann unter http://www.petitionen24.com/rettet_die_musikhochschulen
gezeichnet werden.