Welch ein Unterschied! Hatte vor wenigen Tagen Tabea Zimmermann noch charmant, aber immer rein sachbezogen und sparsam an Gestik und Mimik, ihr Programm erläutert und gespielt, so gab es nun mit Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta ein Duo zu erleben, das gleich mit dem ersten Stück, Tambourin von Jean-Marie Leclair, einen scheinbar komplett anderen Ton anschlug. Uwe Krusch berichtet.
Aus verschiedenen Türen eintretend stampften Sol und Pat, wie sie sich selber auf ihrer CD nennen, in den Saal, um die Schellen auf ihren silbernen Pantoffeln zum Klingen zu bringen, ein Hinweis auf das titelgebende Tambourin, die einfellige Handtrommel mit Schellen. Im durch diesen Aufmarsch ausgelösten Auftrittsapplaus ging dann der eigentliche Beginn des Stücks unter.
Prall gefüllt war das Programm dieser beiden Interpretinnen, welches das Publikum im Auditorium zu hören bekam. Pat und Sol hatten eine Mischung aus Barock und Moderne ausgewählt. Gleich an Leclair schlossen sich zwei Stücke aus den 24 Duos für Violine und Cello von Jörg Widmann, die aus sich heraus eine augenzwinkernde Seite vermitteln, wenn eine Valse bavaroise und eine Toccatina all’inglese erklingen. Dass vor allem Pat zum Geigenspiel weiterhin auch mimisch und gestisch agierte, kann niemanden überraschen, der ihre Auftritte schon erlebt hat. Dass beide Damen mit diesen kleinen Extras das Publikum im Sturm eroberten, ist ebenfalls nicht erstaunlich. Vielleicht der Höhepunkt war in dieser Hinsicht ein gezupftes Stück aus den kurzen und leichten Klavierstücken von Carl Philipp Emanuel Bach, das beide nebeneinander auf der Klavierbank von Cellistin Sol Gabetta sitzend darboten und sich dabei schmachtend anblickten, bis Sol ihren Kopf am Ende auf Pats Schulter senkte. Je nach Gemüt mag man diese Beigaben herzallerliebst oder klamaukig finden.
Die schwächere Seite des Abends boten die barocken Beiträge, Johann Sebastian Bach und Domenico Scarlatti, bei denen die Interpretinnen nicht den historisch schlackenfreien Ton fanden, der freilich wohl auch nicht ins Konzept gepasst hätte. Interpretatorisch überzeugend gelangen neben den drei kürzeren Werken Rizoma von Francisco Coll, Hommage à Hilding Rosenberg von György Ligeti und Dhipli Zyia von Iannis Xenakis vor allem die beiden Hauptwerke des Abends, die Sonate für Violine und Cello von Maurice Ravel sowie das Duo für die gleichen Instrumente von Zoltan Kodaly. Hier zeigte sich bei aller Bühnenpräsenz auch die instrumentale Beherrschung und die künstlerisch engste Abstimmung der beiden Musikerinnen.
Der kürzlich auch vom OPL, übrigens zusammen mit Patricia Kopatchinskaja, auf einer CD verewigte Francisco Coll hat mit dem Werk Rizoma, dass auf bei Pilzen und anderen Pflanzen verbreitete unterirdische Sprossachsensysteme anspielt, eine wuchernde Komposition geschaffen, die beiden unmittelbar in die Finger spielt. In wenigen Sekunden entwickelt sich das Ständchen von Ligeti, dem die beiden jedoch trotz der Kürze und der einfachen Machart eine Form geben konnten. Das frühe Xenakis-Stück setzt sich mit den Rhythmen griechischer Volkstänze auseinander und bietet damit leicht tänzelnde Kunst.
In die Mitte des Abends hatten Sol und Pat die Ravel Sonate gesetzt, was vielleicht auch den spieltechnischen Anforderungen geschuldet war, obwohl das das Konzert fast abschließende Duo von Kodaly nun auch nicht gerade zu den einfach zu bewältigenden Werken gehört. Mit wie viel Sorgfalt und der nötigen gegenseitigen Zuwendung Kopatchinskaja und Gabetta diese beiden Werke eroberten, war aller Ehren wert. Bei dieser Musik erfolgte zwar auch die gestische und mimische Abstimmung zwischen den Partnerinnen, aber diese bezog sich auf die werkimmanente Auseinandersetzung. Da zeigte sich dann, dass auch diese beiden sich stärker konzentrieren müssen, wenn die Musik es verlangt. Jede für sich beherrschte ihre Stimme, aber auch im Mit- und Gegeneinander boten beide Musikerinnen die für die Ausleuchtung und Belebung der Musik erforderliche musikalische und kollegiale Kooperation
Das Publikum, in dem auch Mitglieder des OPL saßen, hatte sich im Laufe des Abends immer mehr in einen Zustimmungstaumel treiben lassen, der die beiden Musikerinnen noch zu zwei Zugaben anregte. Der im März mit 103 Jahren verstorbene Komponist und Jazzpianist Julien-François Zbinden hat ein Duo geschrieben, aus dem sie die Charakteristik oder Karikatur eines Bergdorfs der Eidgenossen und eine Polka zum Besten gaben und damit wieder im unterhaltsamen Bereich des Konzertes angekommen waren. Große Freude im Publikum, aber auch bei den Solistinnen.
Um auf den Anfang zurückzukommen. Beide Abende, der mit Tabea Zimmermann und der mit Patricia Kopatschinskaja und Sol Gabetta, waren, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise, große Musikabende, die zwar unterschiedliche Aspekte setzen und trotzdem beide überzeugend waren.