Ludwig van Beethoven: Missa Solemnis op. 123; Marlis Petersen, Sopran, Elisabeth Kullman, Mezzosopran, Werner Güra, Tenor, Gerald Finley, Bariton, Netherlands Radio Choir, Royal Concertgebouw Orchestra, Nikolaus Harnoncourt; 1 Blu-ray c-major 712704; Bild HD 16:9; Stereo & Surround; 2012 (99') – Rezension von Remy Franck

Mehrere Charakteristiken fallen einem sofort auf bei dieser Missa Solemnis: die Transparenz und die Klarheit des symphonisch-vokalen Klangbilds, die Ausgewogenheit der Darstellung und der breite Atem, mit dem Harnoncourt den feierlichen Charakter der Komposition maximal betont, und gleichzeitig Beethovens Verhältnis zu Gott in ein meines Erachtens richtiges Licht rückt: Es ist eine durchaus dramatische Haltung, ein Ringen um Gott und um den Glauben. Der Wiener Klerus hatte zur Missa Solemnis eine ehe negative Haltung, weniger wohl wegen der Musik, als vielmehr wegen der Zweifel, die man an Beethovens Religiosität hegte. Dennoch geht aus vielen Zeugnissen hervor, dass Beethoven an Gott glaubte. Religion war für ihn nichts Dogmatisches, aber Bettina von Arnim soll er einmal gestanden haben, er sei sicher, dass Gott ihm näher stehe als anderen Künstlern und, dass er vor Gottes Urteil über seine Musik keine Angst habe. Seinen Glauben an Gott drückte er in seiner Musik aus, auf emotionale und nicht auf intellektuelle Weise. ‘Von Herzen’, schrieb er über den Kopf des Eröffnungsteils seiner Messe. Und weiter: ‘Möge es wieder – zu Herzen gehen’. Dieses Motto scheint Nikolaus Harnoncourt sehr Ernst genommen zu haben, wissend auch, dass der Komponist selber von dem überrascht war, was aus ihm herausströmte und er den Eindruck hatte, jeder einzelne Satz der Messe gehe weit über die von ihm geplante Dimension hinaus. Das macht diese Komposition so komplex und für die Sänger so schwer.

Doch auch wenn er die Feierlichkeit nicht nur durch Pathos, sondern durch Vitalität und Dramatik, durch kräftige Farben und scharfe Akzentuierung erreicht, ist Harnoncourts ‘Missa Solemnis’ kein Zeitrennen. Seine Tempi sind ‘richtig’ und passen zu der Balance zwischen Emotion und Wortbetonung und der richtigen Einschätzung der Bedeutsamkeit alles Musikalischen in dieser Messe. Es ist, als wolle Harnoncourt Adorno Lügen strafen, der ja die Größe dieser Komposition stark anzweifelte.

Neben Harnoncourts inspirierter Ernsthaftigkeit und seinem dezidierten Willen, Größe zu erreichen dürfen wir das Technische dieser Interpretation nicht vergessen, die perfekte Balance zwischen Stimmen und Orchester, den Detailreichtum, die dynamische Bandbreite zwischen dem feinsten Pianissimo und dem kräftigsten Fortissimi, die farblichen und Beleuchtungsnuancen, die kräftigen und bedeutungsvollen Kontraste, die wunderbaren Soli hauptsächlich in den Holzbläsern des Concertgebouw. Exzellent auch ist der Niederländische Radiochor. Im durchwegs guten Solistenquartett verdient Werner Güra ein besonderes Lob: mit seiner warmen, immer ausgeglichenen und wohlklingenden Tenorstimme gibt er seinem Part eine zutiefst menschliche Ausdruckskraft.

This Missa Solemnis has everything needed to qualify for the selection among the very best recorded performances: gorgeous playing and singing, grandeur and clarity, sharp contrasts and fine nuances, and, most notably, a truly solemn character.

Nikolaus Harnoncourt signe une Missa Solemnis à compter parmi les meilleures disponibles au disque. Avec un orchestre et un chœur ainsi que des solistes de grande classe, il réussit à donner à la composition de Beethoven une grande clarté. Il crée l’homogénéité tout en soignant le moindre détail. Et avant tout, il crée cette atmosphère solennelle qui a dû guider le compositeur dans la conception de son œuvre.

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