Grand Théâtre de Luxembourg

Nach einem halben Jahrhundert Abwesenheit konnte Richard Wagners Musikdrama Tristan und Isolde seine zweite Aufführung in Luxemburg feiern. Allerdings war unserem Mitarbeiter Alain Steffen die Lust am Feiern schnell vergangen, musste er sich doch während vier Stunden den nicht nachvollziehbaren Ideen eines überforderten Regisseurs aussetzen.

Die Inszenierung von Simon Stone ist derart misslungen, dass man kaum von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Stoff sprechen kann. Stone hat vergeblich versucht, das Thema zu aktualisieren und in unsere Zeit zu transportieren, und seine Geschichte ist so konfus, falsch und inkonsequent erzählt, dass selbst die Erklärungen des Regisseurs, die im Abendprogramm zu lesen sind, auf der Bühne nicht nachvollzogen werden können. So haben wir es wieder einmal mit einem  verabscheuungswürdigen Beispiel modernen Musiktheaters, wo ein narzisstisch veranlagter  Regisseur versucht, nicht das Werk, sondern sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Diese skandalgeilen Regisseure, die mittlerweile selbst auf großen Bühnen ihr Unwesen treiben, stoßen aber glücklicherweise immer mehr auf die Missgunst des Publikums, das ihren Mist einfach nicht mehr sehen will.

Von einem Skandal sind wir bei Stone allerdings weit entfernt, denn auf der Bühne passiert rein gar nichts. Stones Geschichte ist ein Flickwerk peinlicher Ideen und, die das ganze Werk verunstalten und durch eine inexistente Personenregie nicht mehr nachvollziehbar machen. Die an sich schönen Bühnenbilder von Ralph Meyers passen absolut nicht, sind aber gut gemacht und die Videoprojektionen von Luke Halls sind somit das einzige, was ‘gut’ an dieser misslungenen Tristan-Inszenierung ist.

Besser sieht es dagegen auf dem musikalischen Plan aus, wenngleich diese Aufführung kaum als exzellent oder sehr gut bezeichnet werden kann. Stones Tristan ist als  Koproduktion mit dem Festival d’Aix en Provence entstanden, wo 2021 Simon Rattle und das London Symphony Orchestra für die erste Aufführungsserie verantwortlich waren. Die beiden Titelrollen wurden damals von Stuart Skelton und Nina Stemme gesungen. Für die luxemburgische Aufführungsserie hat man auf jüngere Wagnerstimmen zurückgegriffen, die allerdings durch die schlechte Akustik des Theaters ihre Strahlkraft nicht ausspielen konnten. Ann Petersen, die mittlerweile an Häusern wie der Staatsoper Wien, der Mailänder Scala oder im Royal Opera House Covent Garden Erfolge feiert, sang die Isolde und überraschte mit einem jugendlichen, perfekt ausbalancierten und schönen Sopran, dem es allerdings etwas an Durchschlagskraft mangelte. Das gleiche ist bei Daniel Franks Tristan zu bemerken. Der schwedische Tenor, der inzwischen alle schwierigen Wagner-Partien singt, besitzt eine angenehme und gut fokussierte Stimme. Vor allem begeisterte er durch einen sehr präzisen und kontrollierten Gesang, der es ihm ermöglichte, selbst den mörderischen 3. Akt ohne Schreien oder Nur-Markieren zu bewältigen. Petersen und Frank klangen demnach bis zum Schluss niemals angestrengt, aber man hatte auch den Eindruck, dass sie bei dieser Premiere nicht voll aussangen. Immerhin sind in dieser Woche noch zwei weitere Vorstellungen angesagt.

Erstklassig war auch Josef Wagner als Kurwenal, der mit Strahlkraft und engagiertem Gesang die Rolle ungemein aufwertete. Wie Wagner war auch Franz-Josef Selig als König Marke schon in Aix mit dabei. Sein sehr emotionaler und wuchtiger Vortrag litt allerdings an einer z.T. schlecht fokussierten und seltsam ausschwingenden Stimme. Katarina Karnéus sang die Brangäne stimmschön und präzise, dies allerdings nur im 1. und 3. Akt, im 2. Akt störten einige Intonationsprobleme. Die kleineren Rollen waren mit Leon Kosavic (Melot), Joel Williams (Hirt, Junger Seemann) und James Atkinson (Steuermann) recht luxuriös besetzt.

Großes Lob auch für das Orchestre Philharmonique du Luxembourg, das sich hier auf unbekanntem Terrain bewegte, alles in allem aber eine solide Leistung bot. Lothar Königs, der für den im vergangenen Juli verstorbenen Dirigenten Stefan Soltesz eingesprungen ist, führte Orchester und Sänger sicher durch den Abend, verständlicherweise ohne allerdings wirklichen Wagner-Klang aus dem Orchester herausholen zu können.

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