Christoph Birkmann
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Der Leipziger Student Christoph Birkmann (1703-1771), nachmals Theologe in seiner Heimatstadt Nürnberg, konnte als Textdichter zahlreicher berühmter Bach-Kantaten nachgewiesen werden. Das teilte das Bach-Archiv Leipzig heute mit. Es sei dies eine erste wichtige Schlussfolgerung, die Wissenschaftler des Bach-Archivs Leipzig in einem soeben gestarteten und von der Fritz-Thyssen-Stiftung finanzierten Forschungsprojekt gezogen haben. Im Zentrum des Interesses der Forscher steht eine Personengruppe, die zu Bachs engstem Umkreis gehörte und die mit seinen Unterrichtsprinzipien, seiner Persönlichkeit und der Aufführungspraxis seiner Werke bestens vertraut war: Bachs Privatschüler.

Viele Fragen zu Werk und Biographie Bachs können auch nach zwei Jahrhunderten intensiver Forschung noch immer nicht beantwortet werden, weil nach wie vor kaum mehr als eine Handvoll Bach-Dokumente bekannt geworden sind, heißt es im Bach-Archiv. Neue Erkenntnisse sollen daher Studien über Bachs Schüler ergeben.

In Vorbereitung auf das neue Forschungsprojekt haben die Wissenschaftler am Bach-Archiv bereits 125 Bach-Schüler namentlich ermittelt. Nun sollen deren hinterlassene Materialien – Musikalien, Briefe, Archivalien – erstmals systematisch erschlossen und ausgewertet werden. Dazu sind Recherchen in circa 200 Archiven/Bibliotheken in zehn mittel- und osteuropäischen Ländern notwendig.

Auch Christoph Birkmann (1703-1771) war ein Schüler des Thomaskantors. Birkmann studierte von 1724 bis 1727 Theologie und Mathematik an der Universität Leipzig und wirkte während dieser Zeit nachweislich als Musiker an Bachs Kantatenaufführungen mit. Nun stellt sich heraus, das Birkmann sehr viel mehr für « den großen Meister Bach » war: Er schuf während seiner Leipziger Studienjahre die Verse zu einigen der berühmtesten Bach-Kantaten und legte anscheinend auch Hand an die monumentale Johannes-Passion. Studentische Textdichter Bachs waren der Forschung bislang unbekannt, wie überhaupt in der Vergangenheit kaum Dichter von Bachs Leipziger Kantaten namhaft gemacht werden konnten.

Die Leipziger Wissenschaftlerin Dr. Christine Blanken entdeckte die entsprechende Quelle in der Nürnberger Stadtbibliothek. Birkmann gab kurz nach seiner Berufung als Diakon an die St. Sebald Kirche in Nürnberg einen Jahrgang mit Kantatendichtungen heraus: die « Gott-geheiligten Sabbaths-Zehnden«, und behauptet im Vorwort, die Verse weitgehend selbst verfasst zu haben. Der Druck enthält die Texte zu mehr als 30 Bach-Kantaten: Werke, die genau während Birkmanns Leipziger Studentenjahre entstanden waren und weitgehend zu Bachs dritten Kantatenjahrgang gehören. Zudem ist in dem Buch der Text zur zweiten Fassung von Bachs Johannes-Passion (1725) abgedruckt. Zeitgenössische Textdrucke dieses Hauptwerks des Thomaskantors waren bislang nicht bekannt. Unter den Kantatentexten des Nürnberger Drucks sind offenbar mindestens acht Libretti, die Birkmann selbst für Bach geschrieben hat, u. a. die Dichtungen zu den berühmten Solo-Kantaten ‘Ich will den Kreuzstab gerne tragen’, BWV 56 und ‘Ich habe genug’, BWV 82. Damit bietet der neu aufgefundene Textdruck die wichtigsten Neuerkenntnisse zur Urheberschaft von Bachs Kantatentexten seit mehr als 40 Jahren.

In den nächsten zwei Jahren sollen im Bach-Archiv zahlreiche weitere Quellen zu Bach und seinen Schülern gesammelt und ausgewertet werden.

www.bacharchivleipzig.de

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