Mit einem prall gefüllten Programm kam die Bratscherin Tabea Zimmermann, die seit der Eröffnung der Philharmonie im Jahre 2005 gern gehörter und regelmäßiger Gast im Hause ist, zu ihrem ersten Solorecital in den Kammermusiksaal. Uwe Krusch berichtet.
Das Konzert bot Kompositionen für ihr Instrument aus 99 Jahren, wenn man für die vierte Cellosuite von Bach das Bearbeitungsjahr für die Bratschenversion ansetzt. Es begann mit der Sonate von Paul Hindemith und endete mit der Uraufführung von Anyente aus Mysterium (Caeli enarrant… VII) vom aus Luxemburg stammenden und heute in Australien lebenden Georges Lentz. Wie frisch dieses Werk war, berichtete Tabea Zimmermann, die zu jeder Komposition einführende Worte gab. Hatte sie doch mittags noch mit Lentz telefoniert, der ihr noch letzte Änderungen diktiert hatte.
Die Zuhörer konnten in diesem der Reihe Musiques d’aujourd’hui zugeordneten Konzert im ersten Teil sozusagen inzwischen schon klassische Werke hören. Neben der Sonate von Hindemith waren es die von György Ligeti und vier kleine Werke von György Kurtag. Nach der Pause eröffnete die vierte Cello Suite von Bach. Es folgten Filz solo von Enno Poppe, eine Weiterentwicklung seines Konzertes namens Filz sowie eben die Uraufführung. Damit hatte sie nicht nur ein für einen Soloauftritt umfangreiches Programm ausgewählt, sondern auch eines, das alle nur erdenklichen und neu erdachten Spieltechniken abforderte, bis hin zu einem tonlosen gestischen Schluss bei Anyente, bei dem der Bogen ohne Saitenkontakt geführt wird. Mit diesem Werk schloss sich sozusagen auch ein Kreis, hat doch Zimmermann eben 2005 bei der Eröffnung der Philharmonie das Konzert Monh von Georges Lentz uraufgeführt. Anyente nimmt zunächst aus dem Konzert Ideen mit mikrotonal gefärbten Repetitionen auf, entwickelt sich dann aber anders weiter. Ursprünglich als Beitrag zum Beethovenjahr gedacht, kreist es um die Taubheit des Bratschers Beethoven, indem es sowohl grobe Passagen ebenso bietet wie eben das tonlose Ende.
Dieser Kosmos, ist nicht zufällig erst 100 Jahre alt, da die Bratsche ihre Solorolle erst bekommen musste. Das war nur möglich, weil herausragende Musiker auf diesem Instrument, als einer der ersten eben Hindemith, überzeugend für die Bratsche und auch mit ihr plädieren konnten und daraufhin Kompositionen entstanden. Natürlich bot die Suite von Bach musikalisch sozusagen einen sicheren Hafen, um den Ohren ein wenig Ruhe zu können, damit sie sich hinterher wieder frisch den neuen Tönen widmen konnten. Aber es zeigte auch, dass diese Musik eben immer noch aktuell ist und sich mühelos in die jüngeren Werke einordnet.
Wenn man das technisch überlegene und mit versierten musikalischen Gestaltungsprägungen blitzende Spiel von Tabea Zimmermann bei Bach hört, hat man keine Zweifel, dass sie auch die anderen Werke mit der gleichen Souveränität meistert, auch wenn man diese, spätestens bei der Uraufführung, nicht oder nicht so gut kennt.
So gehört Zimmermann zu den Instrumentalisten, die ihre Möglichkeiten und Auffassungen so weit entwickelt haben, dass man ihrem Spiel einfach glaubt und es als richtig auffasst, ohne zweifeln zu müssen. Trotz der 90 Minuten reine Spielzeit und der Schwierigkeit des Programms für alle Beteiligten kam nicht mal für eine mikrotonale Zeitspanne Überbeanspruchung auf, weder bei der Künstlerin noch beim Publikum, einfach weil ihr Plädoyer für die Werke und die Viola so mitreißend erfolgte, dass man gar keine Lust hatte, etwas zu verpassen, sondern einfach nicht genug bekommen konnte. Das war einer der ganz großen Abende der Saison.
Auch beim anschließenden Gespräch mit der Künstlerin, das von Lydia Rilling geführt wurde, boten sich dem dann kleinen Publikum noch persönliche Einsichten zu den Werken, die Beziehungen zu den Komponisten und auch das Leben von Tabea Zimmermann selber.