Haydn: Symphonien Nr. 70, 93, 100; Mozart: Klavierkonzerte Nr. 21 & 27 + Eine kleine Nachtmusik; Beethoven: Symphonie Nr. 3 + Die Geschöpfe des Prometheus-Ouvertüre op. 43 + Große Fuge op. 133 (Orch. Weingartner); Schubert: Symphonien Nr. 8 & 9; Mendelssohn: Violinkonzert op. 64 + Konzert E-Dur für 2 Klaviere & Orchester; Mahler: Symphonie Nr. 3; Schönberg: Kol Nidre op. 39 + 6 Orchesterlieder op. 8 + Ein Überlebender aus Warschau op. 46; Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 + Ungarische Tänze Nr. 1-3, 5; Strauss: Till Eulenspiegel op. 28 + Einleitung & Walzer aus Der Rosenkavalier + Waldszene aus Intermezzo + Schleiertanz aus Salome; Wagner: Rienzi-Ouvertüre + Lohengrin-Vorspiele zum 1. & 3. Akt + Meistersinger-Vorspiel + Tannhäuser-Ouvertüre + Tristan und Isolde-Vorspiel + Parsifal-Vorspiel; J. Strauss II: Der Zigeunerbaron-Ouvertüre + Vergnügungszug + Geschichten aus dem Wienerwald + Freikugeln + Csardas + Frühlingsstimmen + Kaiserwalzer; Jos. Strauss: Ohne Sorgen + Du und du; Friedrich Gulda, Ivry Gitlis, Sona Cervena, u.a., Wiener Akademie Kammerchor, Akademie Kammerorchester Wien, Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Wiener Symphoniker, Orchester der Wiener Staatsoper, Radio-Symphonie-Orchester Berlin, Hans Swarowsky; 11 CDs Profil PH180651; Aufnahmen 1950-1963, Veröffentlichung 10/2019 (ca. 716') - Rezension von Remy Franck

Der Dirigent und Pädagoge Hans Swarowsky, 1899 in Budapest geboren und 1975 in Salzburg gestorben, ist heute weniger als Dirigent denn als Lehrer bekannt. Zu seinen unendlich vielen Schüler gehören u.a. Claudio Abbado, Zubin Mehta, Dmitrij Kitajenko, Adam und Ivan Fischer, Mariss Jansons, Giuseppe Sinopoli, Jesus Lopez Cobos …

Auf dem Schallplattenmarkt ist er heute eher schlecht vertreten. Das liegt daran, dass er gar nicht viele Aufnahmen gemacht hat, und etliche davon heute in oft technisch unzumutbaren Editionen bei Billiglabels erhältlich sind. Zudem gibt es Aufnahmen mit einer so genannten Süddeutschen Philharmonie, deren Authentizität angezweifelt wird.

Swarowsky, der im Krieg als Opponent der Nazis verfolgt wurde, dirigierte ab 1945 in aller Welt. Als Dirigent sah er sich als Diener am Werk und nicht als Pultvirtuose. Im Vorwort seines Buchs Wahrung der Gestalt steht der Satz: « Als Nichtschöpfer habe ich mich entschlossen, nicht ein Nachschöpfer, sondern ein Diener des Schöpfers zu sein. »

Wesentliche Aspekte seiner Tätigkeit sind das entromantisierte Herangehen an die Wiener Klassik sowie sein Einsatz für Mahler und die Neue Wiener Schule.

Er gründete 1946 die Dirigentenschule an der damaligen Wiener Musikakademie. Als Leiter dieser Dirigenten-Schmiede erlangte er einen legendären Ruf. Er selbst war Klavierschüler von Ferruccio Busoni, lernte bei Arnold Schönberg und später bei Anton Webern Musiktheorie und Dirigieren. Er war Assistent von Clemens Krauss und ein enger Freund von Richard Strauss

Die erste CD dieser Profil-Box, der ersten, die sinnvoll einen großen Teil wichtiger Swarowsky-Aufnahmen bündelt, enthält die Haydn-Symphonien Nr. 70, 93 und 100, die durch rigide Tempi und klare Strukturen auffallen, aber letztlich doch etwas uninspiriert wirken.

Die Mozart-CD mit dem Pianisten Friedrich Gulda ist freilich umso interessanter. Bei Mozart interessierte Swarowsky sich sehr für die Verzierung einzelner Passagen, was in diesen spannenden und gerade durch das Spiel des Pianisten sehr lebendigen Einspielungen deutlich wird.

Die Kleine Nachtmusik wird rhythmisch sehr pointiert gespielt, klanglich mit starker Präsenz der Bässe und einer in ihrem starren Ablauf zumindest erstaunlichen Wirkung.

Die 1955 mit dem Orchester der Wiener Staatsoper gemachte Aufnahme der Eroica kann als Vorläufer der Karajan-Interpretationen gesehen werden, leicht schneller als Karajan in seiner ersten Berliner Einspielung, wenn auch nicht ganz so schlank federnd und elegant. Auffallend bei Swarowsky ist die Transparenz der Struktur.

Als Musterbeispiel der Rigorosität von Swarowksy in Tempofragen kann seine Neunte Schubert, die Große C-Dur angesehen werden. Es ist eine sehr entschlackte, entschlossene Interpretation mit den Wiener Symphonikern.

Wichtige Dokumente in der Box sind die beiden Mendelssohn-Konzerte. Im Violinkonzert, schnell gespielt, lässt Swarowsky Ivry Gitlis singen, aber er unterlegt dieses Violinspiel mit einem fein pulsierenden Orchesterspiel. Mit 11’02 » für den ersten Satz sind Gitlis/Swarowsky noch 17 Sekunden schneller als das ohnehin schon schnelle Team Stern/Szell. Rekordverdächtig!

Zu Mahler hatte Swarowsky eine besondere Verbindung. Bei der Uraufführung der Achten Symphonie im September 1910 wirkte er nämlich unter Mahlers Leitung als Wiener Sängerknabe mit. Mahlers Ausdruckswelt trägt er mit einer genauen Beachtung aller Partiturangaben des Komponisten Rechnung.

In dieser Box gibt es die bislang erste Veröffentlichung der 3. Symphonie in einer Liveaufnahme von 1963 mit dem Radio-Symphonieorchester Berlin. Es ist, chronologisch gesehen, die 14. auf Tonträger verfügbare Aufnahme dieser Symphonie, deren Schallplattengeschichte 1947 mit Adrian Boult begonnen hatte und mittlerweile auf über 140 Aufnahmen angewachsen ist. Intensität ohne Effekthascherei, Spannung, Klarheit und ein satzübergreifend architektonisches Denken prägen diese grandiose Interpretation, die mich sehr an jene des Swarowsky-Schülers Zubin Mehta erinnert, die ich vor kurzem im Konzert in Wroclaw hören konnte.

Bedeutsam sind auch die überaus gut disponierten Schönberg-Einspielungen, darunter die allerersten, elektrisierenden Aufnahmen von Kol Nidre und A Survivor from Warsaw. Beeindruckend sind auch die Sechs Lieder mit dem exzellenten Tenor Georg Jelden.

Der erste Satz des Zweiten Klavierkonzerts von Johannes Brahms mit Eduard Mrazek ist drängend und virtuos, zwei bis drei Minuten schneller als die meisten anderen Aufnahmen. Die drei übrigen Sätze werden nicht weniger zupackend und pulsierend gespielt, selbst das Andante dauert nur 9’48 ». Am Ende hat man aber nicht den Eindruck, etwas überhört oder vermisst zu haben.

Während die Strauss-Interpretationen von bester Qualität sind, bleibt Swarowsky in seinem Wagner mit eher breiten Tempi hinter den Erwartungen zurück.

Einen wunderbaren Abschluss gibt es mit einer ganzen CD mit Werken von Johann Strauss II und Josef Strauss. Es sind Aufnahmen von sprühender Dynamik, wie alle Dokumente dieser Box sehr gut restauriert, so dass das Ohr voll auf seine Kosten kommt.

The conductor and pedagogue Hans Swarowsky (1899 – 1975) is known today less as a conductor than as a teacher. Among his infinite number of students are Claudio Abbado, Zubin Mehta, Dmitrij Kitajenko, Adam and Ivan Fischer, Mariss Jansons, Giuseppe Sinopoli, Jesus Lopez Cobos …
Today he is rather poorly represented on the record market. That’s because he didn’t make many recordings at all, and many of them are available today in often technically unsatisfying editions from budget labels. There are also recordings with a so-called Süddeutsche Philharmonie, the authenticity of which is doubted.
As a conductor Swarowsky wanted to primarily serve the music. Essential aspects of his work are his de-romanticized approach of Viennese classical music and his commitment to Mahler and the Neue Wiener Schule.
In 1946 he founded the Conducting School at the Vienna Academy of Music. He himself was a piano student of Ferruccio Busoni, he studied music theory and conducting with Arnold Schönberg and later with Anton Webern. He was an assistant to Clemens Krauss and a close friend of Richard Strauss.
The first CD of this Profil box contains the Haydn Symphonies No. 70, 93 and 100, which stand out due to their rigid tempi and clear structures, but in the end appear somewhat uninspired.
The Mozart CD with the pianist Friedrich Gulda is of course all the more interesting. In Mozart’s case, Swarowsky was very interested in the ornamentation, which becomes clear in these exciting and very lively recordings, especially through the pianist’s playing.
The Kleine Nachtmusik is played in a rhythmically very pointed manner, with a strong presence of the basses and an at least astonishing effect in its rigid playing.
The recording of the Eroica made in 1955 with the Vienna State Opera Orchestra can be seen as a precursor of the Karajan interpretations, slightly faster than Karajan in his first Berlin recording, although not quite as slim, springy and elegant. What is striking about Swarowsky’s conducting is the transparency of the structure.
His Ninth Schubert, the Great C major, can be regarded as a prime example of Swarowksy’s rigor in questions of tempo. It is a very purified, determined interpretation with the Vienna Symphony Orchestra.
Important documents in the box are the two Mendelssohn concertos. In the very fast Violin Concerto, Swarowsky lets Ivry Gitlis sing, but he underlines this violin playing with a finely pulsating orchestral sound.
Swarowsky had a special connection to Mahler. At the premiere of the Eighth Symphony in September 1910, he sang under Mahler’s direction in the Vienna Boys Choir. In his interpretations he takes Mahler’s world of expression into account by paying close attention to all the composer’s indications in the score.
This box contains the first publication of a live recording from 1963 of the Third Symphony with the Radio Symphony Orchestra Berlin. In chronological order, it is the 14th recording of this symphony whose recording history began in 1947 with Adrian Boult and has since grown to over 140 releases. Intensity, tension, clarity and a cross-movement architectural thinking characterize this grandiose interpretation, which reminds me very much of that of Swarowsky’s pupil Zubin Mehta, which I recently heard in the concert in Wroclaw.
The Schönberg recordings, which are extremely significant, including the very first (and electrifying) recordings of Kol Nidre and A Survivor from Warsaw. The Six Songs with the excellent tenor Georg Jelden are also impressive.
The first movement of Johannes Brahms’ Second Piano Concerto with Eduard Mrazek is urgent and virtuoso, two to three minutes faster than most recordings. The three remaining movements are played no less grippingly and pulsatingly, and even the Andante lasts only 9’48 ». In the end, however, one does not get the impression that one has missed or overheard something.
While the Strauss interpretations are of the best quality, Swarowsky lags behind the expectations with rather broad tempi in his Wagner.There is a wonderful conclusion with an entire CD filled with sparkling performances of works by Johann Strauss II and Josef Strauss.All the recordings have been very well restored, and the sound is quite agreeable.

  • Pizzicato

  • Archives