Elbphilharmonie
(c) Remy Franck

Mit seinen Konzerten im ausverkauften Kammermusiksaal der Hamburger Elbphilharmonie hat das Ensemble Esperanza einen nachhaltigen Erfolg eingefahren. ‘Standing Ovations’ sollen dort eher selten sein, die letzte gab es vor fast einem halben Jahr. Doch Esperanza wurde vom stehenden Publikum lautstark gefeiert… Remy Franck berichtet aus Hamburg.

Im ersten Konzert spielte das von den ‘International Classical Music Awards’ und jetzt auch mit dem Förderpreis von ‘Opus’ ausgezeichnete Orchester einige Miniaturen des armenischen Priesters, Komponisten und Musikethnologen Komitas (1869–1935). Konzertmeisterin Chouchane Siranossian war mit ihren armenischen Wurzeln die ideale Interpretin, um mit Esperanza diese Musik mit weichem, fein nuanciertem Ton emotional auszureizen oder, wie im Echmiadzin Tanz, fulminant virtuos spielen zu lassen.

Der belgische Geiger Marc Bouchkov und der französische Bratscher Adrien Boisseau waren die Solisten in Wolfgang Amadeus Mozarts

‘Sinfonia concertante’ KV 364, die zwar insgesamt gefallen konnte, aber letztlich zu einem Violinkonzert mit obligater Viola und begleitendem Orchester wurde, so sehr zog der für sein intensives, emotionales und spontanes Musizieren bekannte Bouchkov das gesamte Bettzeug an sich. Spannend war es, aber nicht unbedingt im Geiste Mozarts. Dennoch: das Andante war Emotion pur, und in den schnellen Sätzen war auch die rassige Eleganz in den Klangwogen des Ensembles ganz bemerkenswert.

Mit ‘Musica Celestis’ des 1960 geborenen amerikanischen Komponisten Aaron Jay Kernis stellte Esperanza ein Stück vor, das zum Programm seiner nächsten (dritten) Schallplatte gehört.

‘Musica Celestis’ hat viel mit Samuel Barbers Adagio für Streicher gemeinsam. Wie jenes Werk ist es ein Teil eines Streichquartetts. Kernis transkribierte den langsamen Satz seines 1990 komponierten Quartetts ‘Musica Celestis’ für Streichorchester.

Das Werk beginnt fragil mit Erinnerungen an die Musik von Hildegard von Bingen, um dann englischer Pastorallyrik Platz zu machen und sogar, wie verschiedentlich vermerkt, an die ätherischen Klänge von Wagners ‘Lohengrin’ zu erinnern. Esperanza betonte das Sphärische, ohne je empathisch zu wirken. Ein klein wenig mehr ‘Misterioso’ hätte der Musik noch gut getan.

Nino Rotas ‘Concerto per archi’, ein Stück von Esperanzas erster Schallplatte, beschloss den Abend klangschön – die Kohärenz des Ensembles ist phänomenal – aber auch spontan und kommunikativ, und das in einer reichlich trockenen, aber durchaus nicht unangenehmen Akustik, die dem satten, kräftig fundierten und transparenten Klang des Ensembles entgegenkam.

Tags darauf musizierten die Musiker von Esperanza zunächst in einem Benefizkonzert für Schüler, Senioren und geflüchtete Menschen, ehe sie am Abend ein Benefizkonzert für den Verein ‘Hände für Kinder’ gaben, mit den Solistinnen Sara Domjanic und Chouchane Siranossian in Vivaldis ‘Le Quattro Stagioni’ und Astor Piazzollas ‘Las cuatro estaciones porteñas’, ein Programm, mit dem das Ensemble in Hamburg wie zuvor schon beim Festival ‘Next Generation’ im ‘Grand Resort Bad Ragaz’ das Publikum mit einem mitreißenden Farbenrausch begeisterte, weil die Interpretationen von der Idee getrieben waren, die Musik ‘sichtbar’ zu machen.

Das letzte Konzert begann mit einer großartigen Darbietung von Edward Elgars Serenade e-Moll, deren Larghetto wirklich unter die Haut ging. Bewundernswert war einmal auch die substanzreiche Klangkultur des Ensembles.

Berückend lyrisch einerseits, aber auch erfrischend spontan war die Aufführung des Cellokonzerts D-Dur von Joseph Haydn mit dem hervorragenden ungarischen Cellisten Istvan Vardai.

Gustav Holsts fantasievolle ‘St Paul’s Suite’ erlaubte es Esperanza, seine Vorzüge in allen Ausdruckslagen zur Wirkung zu bringen. Und so wurde einmal mehr bestätigt, dass dieses Ensemble absolut zur Weltklasse gehört, weil es im Gegensatz zu anderen Kammerorchestern jugendliche Frische mit einer ausgereiften Musikalität verbindet.

Joseph Haydns ‘Abschieds-Symphonie’ bot dem Orchester die Gelegenheit, nicht nur musikalisch zu glänzen, sondern mit einem wundervoll frisch und voller jugendlichem Esprit inszenierten ‘Abschied’ das Esperanza Festival in Hamburg zu beenden. Doch die jungen Musiker hatten die Rechnung ohne das 600-köpfige Publikum gemacht, das mit ‘Standing Ovation’, rhythmischem Klatschen und Bravorufen mehrere Zugaben forderte.

Wenn ein Orchester in einer musikverwöhnten Weltstadt wie Hamburg einen derartigen Erfolg einfährt, dann gibt das denen Recht, die dieses Projekt unermüdlich vorantreiben, Intendant Drazen Domjanic und Konzertmeisterin Chouchane Siranossian. Wir erwarten jetzt schon mit Spannung die nächste SACD bei Ars Produktion.

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