Dieter Ammann: unbalanced instability + Core, Turn, Boost; Simone Zgraggen, Violine, Basel Sinfonietta, Baldur Brönnimann; 1 CD Naxos 8.551474; Aufnahme 26.05.22, Veröffentlichung 28.04.23 (66’27) - Rezension von Alain Steffen

Am 26. Mai 2022 ehrte die Basel Sinfonietta den Schweizer Komponisten Dieter Ammann mit einem Konzertabend anlässlich dessen 60. Geburtstags. Es ist der Mitschnitt dieses Konzerts aus dem akustisch hervorragenden Stadtcasino Basel, den Naxos nun hier vorlegt. Dank eben dieser Akustik und einer exzellenten Aufnahmetechnik erscheinen Ammanns Werke in allerbestem Klanggewand. Und das ist enorm wichtig, denn Ammanns musikalische Sprache ist so anregend,  aufregend und voller kleiner, liebevoller Details, die seine Werke dramaturgisch interessant machen und dem aufgeschlossenen Hörer ein unvergessliches und musikalisch intensives Erlebnis bescheren.

Ammanns Sprache ist fordernd, sie verlangt totale Aufmerksamkeit, hat man aber als Hörer den Zugang zu diesem tollen Klangkosmos gefunden, erwartet einen eine Musik voller ungeahnter Überraschungen. Bei Ammanns Werken werde ich immer an die Natur erinnert. Alles passiert unvorhersehbar und doch im Sinne einer logischen Abfolge, die alles im Gleichgewicht hält. Zwischen unbändiger Energie, Stillstand und feinsten Ziselierungen sind die Werke nie vorhersehbar, sondern bieten ein stetes Wechselspiel an Klängen, Farben und Ausdrucksformen.

Genial ist das Violinkonzert ‘unbalanced instability’, das während rund 27 Minuten immer wieder die Perspektiven verändert, so dass es mit einem konventionellen Violinkonzert nichts mehr gemeinsam hat. Das Zusammen- oder Gegenspiel zwischen Violine und Orchester, resp. zwischen Violine und verschiedenen anderen Instrumenten, die sich immer wieder aus dem Klanggeschehen lösen, ist schon unerhört. Dieses Violinkonzert, das 2013 komponiert und von Carolin Widmann uraufgeführt wurde, besitzt  absolutes Weltklasseniveau und verlangt dem Solisten einiges ab. Die Solistin und Konzertmeisterin der Basel Sinfonietta Simone Zgraggen begeistert hier durch ein klares, intensives und vor allem reaktives Spiel, das immer im Einklang mit dem orchestralen Geschehen steht.

Das Tryptichon Core, Turn, Boost entstand zwischen 2001 und 2010. Die drei an sich geschlossenen Orchesterwerke  wurden auch schon einzeln aufgeführt und müssen nicht unbedingt als Ganzes gespielt werden. Amman gibt auch hier kein Programm vor, seine Musik ist absolute Musik, entwickelt sich aus sich selbst heraus und geht konsequent eigene Wege. Und um Ammanns Musik gerecht zu werden, da braucht es schon hingebungsvolle und vor allem kompetente Interpreten. Baldur Brönnimann und die Basel Sinfonietta bieten hier eine absolute Meisterleistung, sowohl was Spieltechnik, Ausdruck, Transparenz, Klangfarben und Balance betrifft.

Brönnimann und seine Musiker vertrauen aber nicht nur auf den abstrakten Charakter der Musik, sondern sie finden in jedem Werk eine durchgehende Gedankenlinie. Das ergibt dann zusätzlich einen narrativen Charakter, der es dem Hörer ermöglicht, das Klanggeschehen, das immer spannend wie ein Thriller ist, mühelos zu verfolgen.

Mithin ist dies eine wichtige und wertvolle Aufnahme von Werken eines der talentiertesten zeitgenössischen Komponisten.

On May 26, 2022, the Basel Sinfonietta honored Swiss composer Dieter Ammann with a concert evening to mark his 60th birthday. It is the recording of this concert from the acoustically outstanding Stadtcasino Basel that Naxos now presents. Thanks to these acoustics and an excellent recording technique, Ammann’s works appear in the very best possible sound. And that is extremely important, because Ammann’s musical language is so stimulating, exciting and full of small, loving details that make his works dramaturgically interesting and give the open-minded listener an unforgettable and musically intense experience.

Ammann’s language is demanding, requiring total attention, but once a listener has found access to this great cosmos of sound, a music full of unexpected surprises awaits. Ammann’s works always remind me of nature. Everything happens unpredictably and yet in the sense of a logical sequence that keeps everything in balance. Between irrepressible energy, standstill and the finest chasing, the works are never predictable, but offer a constant interplay of sounds, colors and forms of expression.

Ingenious is the violin concerto ‘unbalanced instability’, which changes perspectives again and again during about 27 minutes, so that it has nothing in common with a conventional violin concerto. The interplay or counterplay between violin and orchestra, or between violin and various other instruments, which repeatedly break away from the main line, is already unheard of. This violin concerto, composed in 2013 and premiered by Carolin Widmann, has an absolute world-class level and demands a lot from the soloist. The soloist and concertmaster of the Basel Sinfonietta Simone Zgraggen inspires here with clear, intense and above all reactive playing that is always in harmony with the orchestral action.

The tryptichon Core, Turn, Boost was composed between 2001 and 2010. The three self-contained orchestral works have also been performed individually and do not necessarily have to be played as a whole. Here, too, Amman does not specify a program; his music is absolute music, develops out of itself and consistently goes its own way. And to do justice to Amman’s music, you need dedicated and above all competent interpreters. Baldur Brönnimann and the Basel Sinfonietta offer an absolute masterpiece here, both in terms of playing technique, expression, transparency, timbre and balance.

However, Brönnimann and his musicians not only rely on the abstract character of the music, but they find a continuous line of thought in each work. This then additionally results in a narrative character, which enables the listener to effortlessly follow the sound events, which are always as exciting as a thriller.

Consequently, this is an important and valuable recording of works by one of the most talented contemporary composers.

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