Eugène Prim, 77, legt sein Amt als Manager des Orchesters Solistes Européens Luxembourg nieder.  Mit Serge de Cillia glaubt der ehemalige Banker "einen passenden und musikalisch interessierten Nachfolger" gefunden zu haben. "Wir haben die Übergabe und die Einführung während den letzten 9 Monaten sehr gut vorbereitet, so dass er wirklich mit der Materie vertraut ist." Alain Steffen hat sich mit Eugène Prim unterhalten.

Eugène Prim und Christoph König

Wie sind Sie eigentlich zu den Solistes Européens Luxembourg gekommen?
1988 arbeitete ich bei einer großen deutschen Bank, und unser damaliger Präsident hatte die Idee, ein großes Galakonzert für den 10. Geburtstag dieser Bank in Luxemburg zu organisieren. Ich sollte mich darum kümmern. So kam ich in Kontakt mit Jean Wenandy von den Jeunesses Musicales, die auch Veranstalter der Soirées de Luxembourg waren. Nach dem Konzert – es spielten die Bamberger Symphoniker unter Horst Stein und mit dem Pianisten Krystian Zimerman – stellte man mir den tschechischen Violinisten Jack Martin Händler vor, der auch dirigierte. Er hatte die Idee, zusammen mit Jean Wenandy und den Jeunesses Musicales in Luxemburg ein Kammerorchester zu gründen. Das Orchester wurde dann ziemlich schnell gegründet und erhielt den Namen Solistes Européens Luxembourg, dies mit dem Ziel, Musiker aus Ost- und Westeuropa über die Grenzen hinweg zusammenzubringen. Als Vertreter der Bank nahm ich dann an einer Sitzung des Verwaltungsrates teil, wo ich eigentlich Mitglied des Rates werden sollte. Pierre Werner, der eigentlich der Wunschkandidat des Verwaltungsrates war, wollte den Posten des Präsidenten der Solistes Européens Luxembourg aber nicht annehmen. Er zeigte auf mich und sagte: « Hier ist ein junger Luxemburger, der macht das schon. » Alle klatschten in die Hände und ich war Präsident. (lacht)

Von der Gründung bis zum ersten offiziellen Konzert ist es aber normalerweise noch ein längerer Weg.
Erstaunlicherweise ging es relativ schnell. Jean Wenandy hatte sehr gute Beziehungen zu Eugen Jochum und Ottobeuren, und so wurde das Orchester schnell eingeladen, dort im Kaisersaal zu spielen. So fand das das Konzert Nummer 0 sozusagen als Generalprobe in Ottobeuren statt. Und von den damaligen Musikern, die auf Anhieb sehr gut  zusammen harmonierten, ist heute noch immer einer dabei, nämlich der Flötist Imre Kovacz aus Ungarn, der erster Flötist beim Hungarian State Symphony Orchestra war.
Anschließend wollten wir natürlich auch ein Konzert in Luxemburg spielen, aber uns fehlte das Geld. Spontan schrieb ich viele Banken und Firmen an, um Gründungsmitglieder zu werden und am Ende hatten wir Geld für zwei Konzerte zusammenbekommen. Am 22. September 1989 fand das erste Konzert in Luxemburg statt.

Wie ist man denn überhaupt an Jack-Martin Händler gekommen?
Durch Zufall. Zwei Musiker aus dem RTL-Orchester waren in Bratislava und hatten dort ein Konzert mit Händler gehört, wo er Violine spielte. Sie waren so begeistert von ihm, dass sie Jean Wenandy von ihm erzählten und ihn beschworen, Händler doch irgendwann als Solisten nach Luxemburg kommen zu lassen. Händler hatte aber auch in Bratislava die Cappella Istropolitana gegründet und dirigierte auch andere slowakische Orchester. Und mit der Cappella Istropolitana, die er von der Geige aus dirigierte, kam er dann auch nach Luxemburg. Zudem war er viele Jahre Konzertmeister beim Bayreuther Festspielorchester, das er später einmal im hauptstädtischen Theater in Luxemburg anlässlich eines kleinen Wagner-Festivals dirigierte, wo auch Wolfgang Wagner und Birgit Nilsson anwesend waren. Zwischen ihm und Jean Wenandy entwickelte sich dann auch eine Freundschaft, so dass das eine das andere ergab.

Dem Orchester wurde damals ja vorgeworfen, fast ausschließlich aus ‘Ostblockmusikern’ zu bestehen, die hier in Luxemburg gutes Geld verdienen wollten. Und dass die europäische Idee nur Mittel zum Zweck war.
Ja, das mag auf den ersten Blick diesen Eindruck erwecken, war aber in Wirklichkeit nicht so. Wir hatten etliche Franzosen dabei, und unser ukrainischer Cellist  beispielsweise lebte und arbeitete damals schon seit Jahren in Bern. Als dann am 9. November 1989 die Mauer fiel, waren dann sowieso alle Europäer und die Idee, vom gemeinsamen Musizieren und einem vereinten Europa ist bis heute in den Genen des Orchesters geblieben.

Am Anfang bestand das Orchester aus recht wenigen Musikern und man konzentrierte sich eher auf Barock und Frühklassik, eine Stilepoche, die ja damals kaum in Luxemburg gespielt wurde. Warum ist man eigentlich nicht bei diesem Repertoire geblieben und hat sich mit Mozart, Beethoven und Brahms selbst in eine direkte Konkurrenz zum damaligen RTL-Orchester gestellt?
Die Programmierung lag ganz in den Händen von Jack-Martin Händler, dem Chefdirigenten des Orchesters und Jean Wenandy. Meine Aufgabe war es, Gelder zu beschaffen. Aber ich gehe davon aus, dass es für ein junges Orchester sicherer war, ein bekanntes Repertoire zu spielen, zu dem dann auch das Publikum kommen würde. Ich weiß nicht, ob wir mit Corelli und Bach lange überlebt hätten. Bei den SEL sind die Aufgaben sehr klar aufgeteilt. Der Dirigent entscheidet, was gespielt wird. Das ist auch heute noch so. Es ist auch der Dirigent, der die Musiker auswählt. Das hat natürlich gewisse Vorteile. Die SEL sind ein  Orchester mit wechselnden Besetzungen und es gibt keine festen Verträge mit den Musikern. Jeder muss sich also immer wieder aufs Neue beweisen.

Wie werden die Musiker denn ausgewählt? Durch ein ausgeschriebenes Vorspiel?
Nein, das würde ehrlich gesagt zu weit führen. Wir sind ein Projektorchester mit 6 Konzerten im Jahr. Die Musiker kommen durch Empfehlungen und Referenzen zu uns. Und dann muss auch darauf geachtet werden, ob sie in das Ensemble passen. Denn ein Orchester wie die SEL kann nur funktionieren, wenn Dynamik und Atmosphäre unter den Musikern stimmen. Am Ende entscheidet dann Christoph König, unser Chefdirigent, ob sie wieder eingeladen werden. Man muss auch bedenken, dass diese Musiker bereit sein müssen, aus ganz Europa  nach Luxemburg zu Proben und Konzerten zu kommen und ebenfalls dann in ihren jeweiligen Orchestern freigestellt werden. Denn jeder Musiker hat ja eine Festanstellung in einem Symphonieorchester. Es muss natürlich auch langfristig geplant werden. Welche Werke werden wann aufgeführt? Klappt das mit der Programmierung der Philharmonie? Wir wollen ja keine Werke doppelt spielen. Stehen uns unsere Musiker zur Verfügung? Das alles ist einer enormen logistischen Vorbereitung und eine sehr präzisen Planung unterworfen. Und dann müssen wir ja auch noch die internationalen Solisten verpflichten. Und oft sind es die Solisten, die das Werk bestimmen, weil sie gerade damit auf Tour sind. Und wie jeder weiß, spielen die SEL ihre Konzerte immer montags; das heißt, auch in den Terminen sind wir aus organisatorischen und praktischen Gründen eingeschränkt.

Solistes Européens, Luxembourg

Aus welchen Orchestern stammten resp. stammen denn beispielsweise die Musiker?
Unsere Musiker kamen und kommen aus Orchestern wie dem Gürzenich Orchester Köln, dem Israel Philharmonic, dem Orchestre de Paris, der Staatskapelle Dresden, dem Tonhalle Zürich, den Wiener Philharmonikern, den Wiener Symphonikern, dem Residenzorchester Den Haag, dem Royal Scottish National Orchestra und noch aus vielen anderen. Die Liste ist sehr lang (lacht).

Es gab, wie eigentlich bei jedem Orchester, auch schwierige Jahre.
Das hatte mehrere Gründe. In den ersten 15 Jahren hatte das Orchester seine feste Routine mit einer eher klassischen Programmgestaltung, wobei wir und das damalige RTL-Orchester sehr gut aneinander vorbeikamen. Als dann 2005 die Philharmonie ihre Tore öffnete, war uns klar, das aber wussten wir schon vorher, dass wir uns nun einer ganz anderen Konkurrenz stellen mussten. Vielleicht hatten wir uns nicht genug auf diesen Wechsel vorbereitet, aber uns war sehr schnell klar, hier gehen wir unter, wenn nicht etwas passiert. Es gab viele neue Ideen, auch von dem damaligen Direktor der Philharmonie Matthias Naske, die leider alle an Jack-Martin Händler scheiterten, der sein Konzept nicht ändern wollte. Hinzukam, dass Händler ein begrenztes Repertoire hatte und dass sich viele Werke zu wiederholen begannen. Irgendwie war dann auch die Luft raus, das spielerische Niveau sank anstatt dass es besser werden sollte und das Publikum brach uns massiv weg. Am Schluss hatten wir 50% unseres Stammpublikums verloren. Das war eine dramatische Situation und die Sponsoren begannen zu murren. Wir mussten uns dann leider von Händler trennen, dessen Vertrag auch auslief und somit nicht mehr erneuert wurde. Die Zukunft des Orchesters stand auf dem Spiel und er war leider nicht bereit, Konzessionen zu machen.

Dann kam Christoph König mit einem ganz neuen Ansatz.
Ja, nach einer Zeit des Suchens und Ausprobierens hatten wir in Christoph König einen Dirigenten gefunden, der wirklich am Orchester interessiert war und zudem Visionen hatte. Als wir uns zu ersten Gesprächen in Wien trafen, überreichte er mir ein Dossier mit kompletten ausgearbeiteten Konzertprogrammen und möglichen Alternativen, die immer auf die jeweilige Musikerbesetzung abgestimmt waren. Das war für uns dann natürlich sehr interessant, weil man einerseits eine ausgearbeitete Planung vor Augen hatte und dann trotzdem anhand der variablen Möglichkeiten tolle Jahresprogramme zusammenstellen konnte. Vor allem war für Christoph König wichtig, altgetretene Pfade zu verlassen, unbekannte oder selten gespielte Werke neben den bekannten Klassikern aufs Programm zusetzen und somit ein möglichst abwechslungsreiches, thematisch schlüssiges Konzept vorzustellen. Und obwohl das luxemburgische Publikum eher konservativ ist, zogen die Zuschauer mit und mittlerweile hat sich Christoph Königs Konzept durchgesetzt und zeigt auch nach über 10 Jahren keine Abnutzungserscheinungen. Wir sind jedenfalls sehr glücklich, noch mindestens bis 2025 mit Christoph König zusammenzuarbeiten, der ja mittlerweile viele große Orchester in Europa und Amerika dirigiert und dabei ist, eine vielversprechende internationale Karriere zu machen.

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