Anton Bruckner: Symphonie Nr. 6; London Symphony Orchestra, Simon Rattle; 1 SACD LSO Live 0842; Aufnahme 01/2019, Veröffentlichung 10/2019 (56'01)  - Rezension von Guy Engels

In letzter Zeit ist es üblich geworden, Anton Bruckner und seine Musik vom Weihrauchgeruch zu befreien und die Symphonien nicht von der religiösen Warte des Komponisten aus zu betrachten. Bruckner war zweifellos tief gläubig, was nicht bedeutet, dass seine Symphonien musikalische Hochämter sein müssen.

Auch Simon Rattle hat sich von dieser Lesart verabschiedet und präsentiert uns einen weniger pompösen, aufgebauschten Bruckner. Klanglich ist an Rattles Interpretation kaum etwas zu bemängeln. Er zügelt die Blechbläser, lässt die Streicher warm und unaufgeregt musizieren. Der Dirigent findet eine feine Klangbalance und schöne farbliche Abstufungen, mit forschen und zügigen Tempi. Auch dies beschädigt die Brucknersche Architektur keineswegs. Sie hätte allerdings etwas schärfere Konturen, wenn Simon Rattle nicht derart sparsam mit Rubati umginge, seine Tempi weniger stringent durchziehen würde. So erleben wir einen durchaus soliden, keineswegs langweiligen Bruckner, dem es jedoch etwas an Tiefenschärfe mangelt.

Today, many conductors want to free Anton Bruckner’s music from the smell of incense and religious feelings. Of course, Bruckner was deeply religious, but that does not mean that his symphonies have to be musical High Masses. Adopting such a neutral view, Simon Rattle presents us with a less pompous Bruckner. There is hardly anything wrong with Rattle’s interpretation. With brisk tempi, restrained brass, warm and unagitated strings the conductor is getting a fine balance and beautiful colour gradations. This does not damage Bruckner’s architecture. It would, however, have somewhat sharper contours if Simon Rattle were not so economical with Rubato. Thus we experience a thoroughly solid, by no means boring Bruckner, who, however, lacks some depth.

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