Richard Wagner: Siegfried; Simon O’Neill Tenor (Siegfried), Peter Hoare (Mime), Michael Volle (Wanderer), Georg Nigl (Alberich), Franz-Josef Selig (Fafner), Danae Kontora (Waldvöglein), Gerhild Romberger (Erda), Anja Kampe Sopran (Brünnhilde), Symphoineorchester des Bayerischen Rundfunks, Simon Rattle; # BR Klassik 900211; Liveaufnahme 02.2023, Veröffentlichung 24.09.2023 (233') - Rezension von Alain Steffen

Simon Rattle dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und ein gutes Solisten-Ensemble in einer konzertanten Aufführung von Wagners Siegfried.

Simon O’Neill, der Siegfried dieser Aufführung, gehört zu den renommiertesten Heldentenören der Gegenwart, der auch an vielen großen Bühnen weltweit in diesem Repertoire auftritt. Er darf zu der raren Gattung des wirklichen Heldentenors gezählt werden, die natürlich voraussetzt, dass man Wagner nicht schreit, sondern mit viel Belcanto und stimmlicher Schönheit singt. O’Neills Tenor ist tatsächlich sehr lyrisch angelegt und hat trotzdem eine große Durchschlagskraft. Nun scheint der Sänger nun auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen zu sein; die Stimme ist schön, flexibel und angenehm zu hören. Er singt die Siegfried-Partie mit Leichtigkeit und ohne hörbare Anstrengung. Vor allem aber allem klingt die Stimme gesund, was heißt, dass der Sänger bisher alles richtig gemacht hat.

Doch in dieser Oper der Konfrontationen ist jede Stimme gleich wichtig.

Und in diesem Münchner Siegfried wird wirklich alles aufgeboten, um ein Maximum an sängerischer Kunst und Kultiviertheit auf die Bühne zu bringen. Peter Hoare, ein Charaktertenor mit heldischem Einschlag, ist hervorragend als Mime. Der Sänger, der im ersten Akt permanent zu singen hat, hat auch in der 80. Minute noch genug Präsenz, um dem stimmgewaltigen O’Neill Paroli zu bieten. Er singt die Partie, ohne dabei ins Karikatural abzurutschen oder in den gefährlichen Sprechgesang zu verfallen.

Michael Volle ist derzeit (neben dem stimmlich etwas anders gelagerten Thomas Konieczny) wohl der weltbeste Wotan/Wanderer (wie auch Hans Sachs) unserer Zeit. Seine Szenen mit Mime, Alberich, Erda und Siegfried sind von höchster Intensität. Einen unerwarteten belcantesken Alberich liefert Georg Nigl, der noch vor drei Jahren Bach mit Simon Rattle gesungen hat. Im Gegensatz zu den üblichen rauen, dunklen Stimmen beeindruckt Nigl mit einem leichten, höhensicheren und durchschlagskräftigen Bariton, der die Figur von ihren Klischee befreit und sie jugendlicher, frischer und menschlicher erscheinen lässt. Franz Josef Selig ist ein beeindruckender Fafner und fast schon eine Luxusbesetzung für diese kleine Rolle.

Anja Kampe glänzt als Brünnhilde. Ihre kraftvolle Stimme ist zu zartesten Tönen fähig und neigt an keiner Stelle zum Schreien. Hinzu kommen ein sehr weiches Legato und ein perfekter Vortragsstil. Bemerkenswert ist auch die wundervoll strömende Alt-Stimme von Gerhild Romberger als Erda.

Danae Kontora, die kurzfristig als Waldvogel für Barbara Hannigan eingesprungen war, rundet mit ihrer glasklaren, feinen Stimme dieses erstklassige Sängerensemble auf allerhöchstem Niveau ab.

Simon Rattle nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch die musikalische Wunderwelt des Richard Wagner und machte vieles hörbar, was sonst untergeht. Wie Rattle Innenspannung, orchestrale Virtuosität, Klangstaffelung, Transparenz und melodischen Fluss nahtlos miteinander verbindet, das ist einfach großartig. Das Orchester spielt überragend und lässt während knapp 4 Stunden Musik keine Schwächen erkennen.

Simon Rattle conducts the Bavarian Radio Symphony Orchestra and a fine ensemble of soloists in a concert performance of Wagner’s Siegfried.

Simon O’Neill, the Siegfried of this performance, is one of today’s most renowned Heldentenoros, who also appears in this repertoire on many major stages around the world. He may be counted among the rare genre of the true Heldentenor, which of course presupposes that one does not shout Wagner, but sings it with much bel canto and vocal beauty. O’Neill’s tenor is indeed very lyrical in style and yet has great penetrating power. Now the singer seems to have reached the peak of his career; the voice is beautiful, flexible and pleasant to listen to. He sings the Siegfried part with ease and without audible effort. Above all, the voice sounds healthy, which means that the singer has done everything right so far.

But in this opera of confrontations, every voice is equally important.

And in this Munich Siegfried, everything is really mustered to bring a maximum of vocal artistry and sophistication to the stage. Peter Hoare, a character tenor with a heroic streak, is superb as the Mime. The singer, who has to sing permanently in the first act, still has enough presence in the 80th minute to stand up to the strong-voiced O’Neill. He sings the part without slipping into the caricatural or lapsing into dangerous sprechgesang.

Michael Volle is currently (along with the vocally somewhat different Thomas Konieczny) arguably the world’s best Wotan/Wanderer (as well as Hans Sachs) of our time. His scenes with Mime, Alberich, Erda and Siegfried are of the highest intensity. An unexpectedly Belcantesque Alberich is delivered by Georg Nigl, who just three years ago sang Bach with Simon Rattle. In contrast to the usual harsh, dark voices, Nigl impresses with a light, treble-sure and penetrating baritone that frees the character from its clichés and makes it seem more youthful, fresh and human. Franz Josef Selig is an impressive Fafner and almost a luxury casting for this small role.

Anja Kampe shines as Brünnhilde. Her powerful voice is capable of the most delicate tones and at no point tends to scream. In addition, she has a very soft legato and a perfect performance style. Also remarkable is the wonderfully flowing alto voice of Gerhild Romberger as Erda.

Danae Kontora, who stepped in at short notice for Barbara Hannigan as Waldvogel, rounds off this first-class ensemble of singers at the very highest level with her crystal-clear, fine voice.

Simon Rattle took the audience on a journey through the musical wonder world of Richard Wagner, making audible much that would otherwise be lost. How Rattle seamlessly combines inner tension, orchestral virtuosity, sound staging, transparency and melodic flow is simply magnificent. The orchestra plays outstandingly and does not show any weaknesses during almost 4 hours of music.

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