Horizon 9: Peter Eötvös: Multiversum; Richard Rijnvos: Amérique du Nord; Joey Roukens: Boundless (Homage to L.B.); Erkki-Sven Tüür: Solastalgia; Iveta Apkalna, Orgel, Laszlo Fassang, Hammondorgel, Vincent Cortvrint, Piccolo, Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, Alan Gilbert, Peter Eötvös, Gustavo Gimeno, Stephane Denève; 1 SACD RCO 18009; Aufnahmen 02+10+12/2017; Veröffentlichung 02/2019 (85'23) – Rezension von Uwe Krusch

In der Reihe ‘Horizon’ stellt das ‘Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam’ auf seinem hauseigenen Label vier neue Werke vor, die es in Auftrag gegeben hat. Neben zwei Stücken für Orchester sind dies ein Konzert für Piccoloflöte und eines für Orgel und Hammondorgel. Alle Komponisten haben für sich als Arbeitsweise einen persönlichen Weg gefunden, der die Vor- und Lehrbilder zwar kennt und auch aufnimmt, aber nur da, wo es in die eigenen Gedankengänge passt. Ansonsten gestalten sie ihre Musik nach ihrem Gusto und nicht nach einer Schule oder einer Erwartung.

Joey Roukens wurde auch mit Pop und Weltmusik groß und schafft so in ‘Boundless’ eine unmittelbar ansprechende Mischung aus allen Musikwelten. Seine Hommage an Leonard Bernstein nimmt dessen Energieüberschuss und Ruhelosigkeit für die Ecksätze ebenso auf wie die ausgedehnte Ruhe, mit der Bernstein langsame Mahlersätze entfaltete, im Mittelsatz. Das andere Orchesterwerk, ‘Amérique du Nord’ von Richard Rijnvos aus dem siebenteiligen Zyklus ‘Grand Atlas’ kann als musikalisches Roadmovie durch die Vereinigten Staaten verstanden werden, das in einer kleinteiligen Collage Momente vom Wegesrand aufschnappt. Damit ist es mit Zitaten und Ironie geschmückt.

Das längste Werk, vom Komponisten selber dirigiert, ist ‘Multiversum’ von Peter Eötvös. Er verwendet eine unerhörte Besetzung, indem er unvereinbare Welten, Orgel und Hammondorgel zum Orchester gesellt. Angedeutet werden soll die Existenz von nicht wahrnehmbaren Paralleluniversen, die unser eigenes kreuzen können.

‘Solastalgia’ von Erkki-Sven Tüür nimmt im Titel die starke Veränderung der Heimat auf, die so weit geht, dass das Heimatgefühl verloren ist. Tüür, selber mal Flötist, war der geeignetste Erschaffer eines Konzerts für eine Piccoloflöte. Damit schafft er erstmalig ein Werk für dieses Instrument. Mit konventionellen Spieltechniken schafft er es trotzdem, einen reizvollen Blick auf dieses Instrument, das man so noch nicht gehört hat.

Alle Werke bieten zwar modern anmutende, aber trotzdem gut zugängliche Musik, ohne zu langweilen oder sich anzubiedern. Die Interpretationen mit vier Dirigenten erblühen unter der an zeitgenössischen Kompositionen erprobten Qualität des Concertgebouw. Alan Gilbert kann in ‘Boundless’ die geradezu aufreizende Energie von Bernstein herauskitzeln, während er den langsamen Satz schweben lässt. Gustavo Gimeno lässt in ‘Amérique du Nord’ die Zitate aufblitzen und das Orchester seine ganze Kraft entfalten.

Eötvös, als Dirigent ebenso geschätzt wie als Komponist, hat sein eigenes Werk im Griff. Die Solisten, Iveta Apkalna an der Orgel und Laszlo Fassang an der Hammondorgel spielen die Farben der anderen Universen ein. In ‘Solastalgia’ liefert Stéphane Denève ein sauberes Dirigat und der auftragsnehmende Flötist Vincent Cortvrint kann in den meisterhaft gesetzten Solopassagen aufgehen und die Piccoloflöte endlich in das verdient solistische Licht rücken, dass sie als sensibel spielbares Instrument bewundern lässt. Piccolo muss nicht weh tun.

A collection of four pieces, recently commissioned by the Royal Concertgebouw Orchestra, shows how composers have freed themselves from certain schools and only use them when it is appropriate for their creative process. Delivered in excellent performances, two orchestral works and two concert pieces, one for piccolo and one for organ as well as hammond organ, form a directly appealing cosmos of new sounds.

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