Victor Fenigstein, Luxemburger Komponist mit schweizerisch-jüdischen Wurzeln ist letzte Woche im Alter von 97 Jahren verstorben. Victor Fenigstein wurde 1924 in Zürich geboren. Im Jahr 1945 erhielt er das Staatsdiplom als Klavierlehrer am Konservatorium in Zürich. Zwischen 1945 und 1947 nahm er Klavierunterricht bei Edwin Fischer. Nachdem er in Zürich Kammermusik unterrichtet hatte, wurde er 1948 zum Professor für Klavier am Konservatorium in Luxemburg ernannt. Aus gesundheitlichen Gründen musste er 1952 seine Karriere als Pianist aufgeben, unterrichtete jedoch bis zu seiner Pensionierung 1985 weiter. 2009 nahm Fenigstein neben der Schweizer Nationalität auch die luxemburgische an. Er war aber Schweizer durch und durch. Remy Franck erinnert sich: « Als ich für ein Interview zu Fenigstein kam, öffnete er die Tür, schaute auf die Uhr und sagte: « Genau 10 Uhr, Sie bekommen Ihr Interview. » Tags zuvor hatte er, wie er mir erzählte, eine Journalistin weggeschickt, weil sie 10 Minuten zu spät kam. »

Als Komponist war Victor Fenigstein Autodidakt. Er betrachtete alle Stile und Techniken der Vergangenheit und Gegenwart als ein Vermächtnis, das, wie er Pizzicato gegenüber sagte, « nach jeder besonderen Absicht » zu verwenden ist, und bemüht sich, sie « auf seine Weise » als Zeuge seiner Zeit einzusetzen.

Für Victor Fenigstein waren seine Kompositionen « vergleichbar mit Kindern, die ich oft nicht ohne Mühe auf die Welt gebracht habe. Ich komponiere nicht zu meinem eigenen Vergnügen, sondern ich möchte, dass meine Kinder der Öffentlichkeit bekannt werden. Und in diesem Fall ist es mir als Komponist wichtig, die Bestätigung zu erhalten, dass diese Kinder einen guten Eindruck machen ».

Aus Fenigsteins spätem Schaffen sind vor allem das Singspiel ‘Die heilige Johanna der Schlachthöfe’ nach Bertolt Brecht sowie die Shakespeare-Sonnets zu nennen.

‘Die Heilige Johanna der Schlachthöfe’ nach Bert Brechts gleichnamigem Theaterstück schrieb Victor Fenigstein im Jahre 1983. Es wurde 1986 mit großem Erfolg in Augsburg uraufgeführt, und 1991 erneut in einer Schweizerisch-luxemburgischen des ‘Ensemble Theaters Biel Solothurn’ und des ‘Théâtre National du Luxembourg’ in den Spielplan gehoben.

Remy Franck schrieb in seiner Rezension für Pizzicato: « ‘Die Hl. Johanna der Schlachthöfe’ vereinigt alles, was ein engagiertes, zeitgenössisches Musiktheater braucht: einen exzellenten, sprachlich konzisen und in seiner Einfachheit prägnanten Text, daneben eine Musik, die den Text verdeutlicht, die Stimmungen schafft, verdichtet und gegebenenfalls auch verlängert und immer wieder Bewegung in das Stück bringt, eine Bewegung, die ihren Ursprung in einer Rhythmik der Irregularität hat, so wie sie Messiaen definierte.

Fenigsteins Musik enthält ein breites Spektrum an musikalischen Gesten, die in manchmal erschreckender Weise ins Leere abdriften, mit fein ausdifferenzierten Klängen, die das enorme Klanggefühl des Komponisten unter Beweis stellen.

Aber die Musik Victor Fenigsteins ist mehr als nur Klang, sie ist Ausrufungszeichen, sie ist Fragezeichen, sie ist Bindestrich, sie ist Hintergrund und Projektion, Illustration und Vorwegnahme, sie schafft zwar einerseits eine gewisse Emotionalität, aber sie ist weitaus mehr als eine klangliche Atmosphäre, die Handlung oder Figuren charakterisiert, auch wenn eine Zuweisung von einzelnen Instrumenten oder Instrumentengruppen an bestimmte Personen musikalische Figuren schafft.

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