Kloster Ochsenhausen

Ein Bach-Abend mit Christian Poltéra und ein Konzert mit Schülern der Meisterklasse von Hansjörg Schellenberger waren die beiden ersten Konzerte des Wochenendes beim Schwäbischen Frühling. Remy Franck berichtet.

Johann Sebastian Bachs Sechs Cellosuiten an einem Abend zu spielen ist für den Interpreten eine ganz besondere Herausforderung. Christian Poltéra hatte diesen Challenge angenommen und begeisterte das Publikum mit dem lyrischen Klang, den er auf seinem klangreichen Cello erzeugt, dessen Klangwellen opulent in den Bibliotheksaal der Klosters Ochsenhausen drangen.

Christian Poltéra

Er stattete die Suiten mit einer besonderen, dunkel timbrierten Farbe aus. Das erlaubte es dem Hörer, in die Klangwelt der elegant gespielten Suiten einzutauchen. Es waren nicht so sehr Schönheit und Transzendenz, die Poltéra suchte, sondern Klanglichkeit. Er versuchte die Suiten zu einem homogenen Ganzen zu formen, die Kraft zu dosieren, und dem musikalischen Fluss eine große Bedeutung zu geben, was besonders beeindruckend in den beiden letzten Suiten zur Wirkung kam.

Literarisch ergänzt wurde der Konzertabend durch drei Lesungen von Wolf Wondratschek aus seinem Werk ‘Mara. Eine Erzählung‘, in dem er, den Auszügen nach zu urteilen, etwas pauschale eine klischeereiche Musikwelt zeichnet, die sich auf psychisch gestörte Musiker und deren Behandlung durch einen Neurologen bezieht.

In einer Matinee im Bibliothekssaal Ochsenhausen spielten tags darauf Schüler der Meisterklasse von Hansjörg Schellenberger Werke aus der Literatur für Oboe.

Lucas Martinez Riaza und Carlos Ramos Castro (li.)                                                         (c) Remy Franck

Das Programm begann opernhaft mit kunstvollen Bearbeitungen von Mozart-Arien aus der Zauberflöte für zwei Oboen, die von Lucas Martinez Riaza und Carlos Ramos Castro mit frischer Ausdruckskraft und klanglichem Raffinement gespielt wurden.

Der junge Spanier Carlos Ramos Castro war danach in der ersten von Clara Schumanns Drei Romanzen, einem Andante molto, zu hören, die er mit warmem Ton und schönem Legato kantabel und passend emphatisch interpretierte.

Lucas Martinez Riaza seinerseits spielte die Sonate für Oboe und Klavier von Camille Saint-Saëns mit elegant-charmantem Ton und gefühlvollen Nuancen.

Am Klavier wurden die beiden Spanier von der ukrainischen Pianistin Alina Artemyeva begleitet. Sie saß auch am Flügel in Johann Christoph Friedrich Bachs Sonate C-Dur für Oboe, Violine und Klavier, in der Linus Roth und Hansjörg Schellenberger mitwirkten. Linus Roth spielte mit souveräner Tongebung und Schellenberger faszinierte mit seinem legendären gold-warmen, runden und nie scharfen Klang. So wurde die reich verzierte Sonate ein klanglicher Genuss.

Hansjörg Schellenberger, Linus Roth, Alina Artemyeva
(c) Remy Franck

Unterhalb des Klosters Ochsenhausen entspringt der Krummbach, dessen fünf Quellen sich quirlig mischen, in einem ein Meter breiten Bett vereinen und wegen der geringen Neigung des Terrains ruhig zu fließen beginnen. Diese Bilder kamen mir in den Sinn, als ich Lucas Martinez Riaza und Carlos Ramos Castro in François-René Gebauer

Duett Nr. 2 für zwei Oboen hörte. Sie gestalteten die schnellen Sätze ungemein frisch und verspielt, den langsamen Satz mit kantabler Ruhe.

Mit seinem Trio op. 87 für zwei Oboen und Cor Anglais schuf Beethoven um 1795 ein anspruchsvolles Werk mit reicher Melodik und viel Drive. Im Programmheft wurde die falsche Übersetzung Englischhorn vermieden, wohl weil sich Schellenberger selber dagegen wehrt – das anglais kommt schließlich von anglé, gewinkelt, und hat mit England so wenig zu tun wie Boris Johnson mit dem Respektieren seiner eigenen Gesetze.

Mit pulsierendem Musizieren in den schnellen Sätzen und viel Lyrismus im Adagio cantabile gelang Schellenberger und seinen beiden Schülern eine ausgefeilte, frische und dynamische Interpretation. Es war eine Freude, Lucas Martinez Riaza und Carlos Ramos Castro in dieser Matinee zu entdecken.

Das Abschlusskonzert des diesjährigen Schwäbischen Frühlings mit den Stuttgarter Philharmonikern vereinigte noch einmal Artist in Residence Christian Poltéra, den Violinisten sowie Festspielintendanten Linus Roth und den Oboisten Hansjörg Schellenberger, der auch das Konzert dirigierte. Wir werden in unserem Abschlussbericht auf dieses Konzert zurückkommen.

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