Kloster Ochsenhausen

Das Abschlusskonzert des diesjährigen Schwäbischen Frühlings vereinigte noch einmal Christian Poltéra, Linus Roth und Hansjörg Schellenberger, der auch das Konzert an der Spitze der Stuttgarter Philharmoniker dirigierte. Es war ein herausragendes Musikfest, meint Remy Franck.

Das Konzert fand in der weiträumigen Klosterkirche St. Verena in Rot an der Rot statt. Wer geglaubt hatte, in diesem riesigen Kirchenraum mit seinen herrlichen spätbarocken und frühklassizistischen Elementen sowie vielen Goldverzierungen sei ein packendes Musizieren wegen des Nachhalls und unbequemen Holzbänken quasi unmöglich, wurde eines Besseren belehrt.

Im elften Kapitel der Vita Prior der Heiligen Verena steht: « Als Brot fehlte und Verena zu Gott um Hilfe betete, wurden auf einmal 40 Säcke Mehl am Eingang der Zelle vorgefunden. » Nun, ich nehme an, die Heilige wird auch eifrig gebetet haben, dass  dem Publikum in ihrer Kirche großartige Musik geboten werden sollte. Die Akustik erwies sich dabei mit ihrem Nachhall nicht als Hindernis.

Das zeigte sich schon in Johann Sebastian Bachs Konzert für Oboe d’amore BWV 1055. Hansjörg Schellenbergers Spiel war überaus fein, leicht und lebendig, raffiniert in der Phrasierung, voller Nuancen und vereinigte sich mit den optischen Eindrücken des Altarschiffs zu einem opulenten Gesamtkunstwerk.

Der Cellist Christian Poltéra spielte Joseph Haydns zweites Cellokonzert sehr vital, leicht und elegant. Sein Spiel bestach durch eine großartige Technik, die aber nie Selbstzweck war, sondern ganz im Dienst der Musik stand. Durch seinen warmen und kraftvollen Celloklang brachte er den vielschichtigen Reichtum und die vielen Facetten dieser Komposition bestens zur Geltung. Mit der Wärme seines Timbres konnte er die Lyrik und den Zauber von Haydns Musik voll verwirklichen, auch dank der guten Unterstützung durch die von Hansjörg Schellenberger inspiriert geleiteten Stuttgarter Philharmoniker.

Linus Roth, Hansjörg Schellenberger und die Stuttgarter Philharmoniker

Das Highlight des Konzerts war aber zweifellos Mendelssohns Violinkonzert op. 64. Linus Roth tauchte das Stück in Gold. Mit reifer Ausformung, wunderbar phrasiertem Spiel und sinnlicher Schönheit hauchte er dem Konzert eine bewegende Poesie ein. Es waren nicht bloße Virtuosität und Brillanz, die faszinierten, sondern zarte Kantilenen, die in Kontrast zu temperamentvolleren Passagen das Werk ungemein gefühlstief werden ließen. Und so hielt man immer wieder den Atem an, weil die Musik wirklich abhob und wie magisch schwebte, intensiv in vielen Farben schimmernd. In einem äußerst spannenden Dialog zwischen dem Geiger und dem opulent spielenden Orchester spürte man eine ganze Bandbreite von Gefühlen, die Mendelssohns Werk weit über das hinaus hoben, was die meisten Interpreten in ihm sehen. Kein Zweifel, dies war eine der spannendasten Aufführungen des Mendelssohn-Konzerts, die ich je gehört habe, weil Linus Roth mit seiner tiefen und wahrhaftigen Musikalität, seinem Feuer, seiner Rhetorik sowie großartigem Atem einmal mehr bewies, dass er einer der besten Geiger unserer Zeit ist und bei perfekter Beherrschung der Technik mit menschlicher Tiefe und Wärme bewegt und mitreißt.

Und dass er auch als Intendant des Schwäbischen Frühlings eine glückliche Hand hat, zeigten die sechs herausragenden Konzerte, die diesem Festival eine neue Qualität gegeben haben. Der Publikumserfolg blieb nicht aus, weil die meisten Konzerte ausverkauft waren und über 1.800 Musikfreunde hochkarätige Darbietungen miterleben durften.

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