Kloster Ochsenhausen

Der Benediktinermöch Pierre Pérignon hat die Kunst der Assemblage perfektioniert, und sein Champagner gilt als der feinste und raffinierteste. Im Kloster Ochsenhausen wurde zwar kein Champagner hergestellt, aber heute wird dort Musik vom Feinsten geboten, so bei einem Abend mit dem Violinisten Linus Roth und dem Gitarristen Petrit Çeku. Remy Franck hat sich von ihrem Spiel verführen lassen.

Beim Champagner sind die strahlende Fruchtigkeit und die elegante Reife das Ergebnis eines langen Prozesses, bei dem es darum geht, jedes Jahr das Beste aus der Ernte herauszuholen, die speziellen Eigenschaften der Trauben hervorzuheben und zu veredeln. In der Musik erreichen Künstler das durch eine große Vertrautheit mit den Stücken, die sie spielen, und durch eine souveräne Technik, die ihnen das Interpretieren und Assemblieren erst ermöglicht. Genau das gelang Roth und Çeku auch bei ihren Paganini-Interpretationen, im Cantabile op. 17 und in der ersten Sonate für Violine und Gitarre.

Denn so wie es nicht nur das Terroir und die Trauben sind, die den Champagner zu einem der exklusivsten Getränke veredeln, sondern auch die Menschen, die ihn machen, sind es in unserem Fall die Künstler, die Paganini spielen.

Paganini war ein ebenso brillanter Gitarrist wie er ein faszinierender Geiger war. Nur hat er in seinen Werken für Geige und Gitarre eine weniger effektvolle, dafür umso lyrischere Musik geschrieben. Linus Roth und Petrit Çeku hüteten sich aber davor, diese Musik mit Schmalz einzufetten, sie blieben klar in der Phrasierung und echt in ihren Gefühlen. Auch Spontaneität und vor allem Freude am Spiel und Freude am Freudemachen waren Kennzeichen dieser eloquenten Interpretationen.

Sehr persönlich und kontrastierend gestaltet wurden Bartoks Rumänische Volkstänze, einerseits sehr nachdenklich und intimistisch, anderseits hoch virtuos.

Petrit Ceku & Linus Roth
(c) Remy Franck

Linus Roth, der nach Konzerten in Buenos Aires, Katowice sowie in Deutschland und in der Schweiz gleich mehrere Auftritte beim Schwäbischen Frühling in Ochsenhausen hat, zeigte dann in Paganinis Variationen Nel cor piu non mi sento die zwei Facetten seiner Kunst. Roth gibt es nämlich gleich zweimal. Roth technisch und Roth expressiv. Mit einer einmaligen Rhetorik bietet der Geiger mehr als bloße Virtuosität, auch wenn in diesem Stück vor allem die stupende Technik begeisterte. Und man hört ihm dennoch zu wie dem Märchenerzähler aus 1001 Nacht: fasziniert.

Auch Çeku ist ein solcher Erzähler. Mit einer starken, bedeutungsvollen Interpretation von Dionisio Aguados Fandango op. 16 zeigte er, dass sein prägnantes, feinfühlig nuanciertes Spiel etwas mitzuteilen hat, dass es eine für die Gitarre seltene rhetorische Kraft erlangt und auch echte Emotionen vermittelt. Dabei verstand er es, in seiner Klangrede auch den idiomatisch richtigen Ton zu finden.

Perfekte Klarheit und ein unvergleichliches, ornamentales Raffinement machten auch Rodrigos quasi impressionistischen Tres pequenas piezas und Giulio Regondis Rêverie zum höchsten Genuss.

Mit Pablo de Sarasates Carmen-Fantasie endete das Programm. Auch in diesem Werk gab es bei aller Virtuosität nur höchstes Raffinement und Noblesse. Roth und Çeku hoben die Musik auf die höhere Schiene, veredelten sie so wie Abt Pérignon seinen Champagner veredelte, ohne billigen Effekte, ohne Anbiederung, ohne die Show, die andere daraus gemacht hätten. Treue zum Text, die heilige Kraft zur Musik, die Gewohnheit, dem Werk nahe zu bleiben, die Überzeugung, dass nichts verrückt werden darf, um nicht den geheimen Sinn der Musik zu stören, prägten eine Interpretation, die technisch ebenso stupend war wie tief musikalisch. Und so war der ganze Abend mit einem recht populären Programm letztlich eine Absage an Populismus, mit Musik, die mit höchstem Raffinement und einer phänomenalen Stil- und Geschmacksicherheit begeisterte.

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