Frédéric Chopin: Etudes Nr. 1-25; Alexander Scriabin: Etüde op. 2 Nr. 1; CPE Bach: Fantasia fis-moll H.300/Wq.67; Rachmaninov: Paganini-Rhapsodie für Klavier & Orchester; Robert Neumann, SWR Symphonieorchester, Kerem Hasan; 1 CD SWR Music 19101CD; Aufnahmen 2019/2020, Veröffentlichung 12/03/2021 (76'43) – Rezension von Remy Franck

Der 19-jährige Robert Neumann, Gewinner des Discovery Award 2017 der International Classical Music Awards (ICMA) legt bei SWR Music seine erste CD vor. Ich habe den Pianisten als einen sehr intelligenten und redegewandten jungen Mann kennen gelernt, und diese Rhetorik findet sich auch in diesem Klavierprogramm. In C.P.E Bachs Fantasie führt sie freilich auf einen sehr speziellen Weg, den nicht jeder bereit sein wird, mit dem jungen Pianisten zu gehen. Mit über 14 Minuten ist seine Aufnahme die längste, die ich kenne. Die späte, freie Fantasie trägt den Untertitel ‘C. P. E. Bachs Empfindungen’, und diesen Empfindungen spürt Neumann in einer Art von nächtlichem Fantasieren nach. Das wirkt sehr verträumt und manchmal auch etwas statisch.

Robert Neumanns Beschäftigung mit Chopins Etudes op. 25 ist unbestreitbar spannend. Das ist kein jugendlich ungestümes Muszieren, sondern eines, das gut durchdacht und vorbereitet ist. In der Art, wie er wirklich jeden Ton bearbeitet, ob zart oder kraftvoll, erinnert er mich an Sokolov, ohne freilich dessen Spontaneität zu erreichen. Doch auch so kommt die Bedeutung, die Neumann dem Klang seines Spiels zumisst, aus einer seltenen Konzentration und lässt seine Interpretationen in einem ganz besonderen Maße interessant werden. Neumann spielt sehr persönlich, nie aufdringlich zwischen kontrollierter Dramatik und schönstem Belcanto, und gerade in den ruhigeren Etüden dringt er tief in Chopins gekränkte Seele ein. Dass diese Emotionalität nie artifiziell wirkt, zeigt, über welch feine Musikalität Neumann für sein junges Alter schon verfügt, eine Musikalität, die er mit seiner exzellenten Technik vorteilhaft in wirkliche Musik umsetzen kann.

Die Paganini-Rhapsodie geht Neumann mit spielerischem Elan an, in einem leicht-lockeren, prickelnden, rhythmisch sehr präzisen, dynamisch gut gesteuerten und daher auch sehr wachen Spiel, in dem er die Spontaneität zeigt, die ich in den Soloaufnahmen etwas vermisse. Die verträumten Passagen gelingen ihm nicht weniger gut, einfühlsam und lyrisch.

Kerem Hasan gelingt es, das klar artikulierte Spiel des Pianisten sowohl in den schnelleren Variationen als auch in den nachdenklichen Momenten effektvoll zu unterstützen und zu verzieren, so dass die Rhetorik in diesem Livemitschnitt insgesamt sehr spannend wird.

Wie sehr sich Neumann von anderen jungen, auf Show bedachten Tastenhengsten abgrenzen will, zeigt sein Bis, das er für das Publikum in der Stuttgarter Liederhalle spielte, Alexander Scriabins Etüde op. 2 Nr. 1, die er mit großer Subtilität und Eleganz phrasiert, fein expressiv und mit genau jener poetischen Vision, die zu Scriabin passt.

Und so ist diese CD denn auch der Beweis dafür, dass die Jury der ICMA Recht hatte, als sie Robert Neumann einen Discovery Award verlieh. Und weil ich immer fest an sein Talent geglaubt und den Pianisten meiner uneingeschränkten, aber nie unkritischen Unterstützung versichert habe, darf ich auch froh und sogar ein bisschen stolz auf das sein, was er hier leistet. Es ist hoffentlich nur die erste einer langen Reihe von Aufnahmen, mit denen er seine Signatur wird behaupten können. Dies wünsche ich ihm von ganzem Herzen.

The 19-year-old Robert Neumann, winner of the 2017 Discovery Award of the International Classical Music Awards (ICMA) presents his first CD on SWR Music. I have come to know the pianist as a very intelligent and eloquent young man, and this rhetoric is also found in this piano program. Admittedly, in C.P.E Bach’s Fantasy, it leads down a very particular path that not everyone will be willing to walk with the young pianist. At over 14 minutes, his recording is the longest I know. The late, free fantasy is subtitled ‘C. P. E. Bachs Empfindungen’, and Neumann traces these feelings in a kind of nocturnal fantasizing. This comes across as very dreamy and sometimes a bit static.

Robert Neumann’s performance of Chopin’s Etudes op. 25 is undeniably exciting. This is not youthful impetuous music-making, but one that is well thought out and prepared. In the way he really works every note, whether delicate or powerful, he reminds me of Sokolov, though admittedly without achieving the latter’s spontaneity. But even so, the importance Neumann attaches to the sound of his playing comes from a rare concentration and makes his interpretations interesting to a very special degree. Neumann’s playing is very personal, never intrusive between controlled drama and the most beautiful bel canto, and especially in the quieter etudes he penetrates deeply into Chopin’s anguished soul. The fact that this emotionality never seems artificial shows that Neumann already has a very fine musicality for his young age, which he can translate with his excellent technique advantageously into real music.
Neumann plays the Paganini Rhapsody with playful, sparkling verve, rhythmically very precise, dynamically well controlled and also very alert. In this composition he shows the spontaneity that I somewhat miss in the solo recordings. With sensitivity and lyricism he succeeds no less well in the dreamy passages. Kerem Hasan manages to effectively support and embellish the pianist’s clearly articulated playing in both the faster variations and the more reflective moments, making the rhetoric in this live recording altogether very exciting.
The extent to which Neumann wants to set himself apart from other showier young keyboard virtuosos is underlined by the encore he played for the Stuttgart Liederhalle audience, Alexander Scriabin’s Etude Op. 2 No. 1, which he phrases with great subtlety and elegance, finely expressive and with just the kind of poetic vision that suits Scriabin.
And so this CD is proof that the ICMA jury was right when they gave Robert Neumann a Discovery Award. And because I have always firmly believed in his talent and assured the pianist of my total but never uncritical support, I may also be pleased and even a little proud of what he accomplishes here. Hopefully, it is only the first of a long series of recordings with which he will be able to assert his signature. I wish him this with all my heart.

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