NFM Wroclaw Phiharmonic
(c) Karol Sokolowski

Nach der diesjährigen Preisverleihungszeremonie der ICMA (International Classical Music Awards) folgte am Abend das Galakonzert im ausverkauften großen Saal des Witold Lutoslawski National Forum of Music (NFM) in Wroclaw, Polen. Beide Veranstaltungen stellten den höchstverdienten Abschluss für im vergangenen Jahr begutachtete musikalische Leistungen im klassischen Sektor dar, die von den Mitgliedern des ICMA-Verbundes begleitet und beurteilt wurden. Uwe Krusch fasst die Eindrücke vom Konzert zusammen.

In seinem Grußwort dankte Remy Franck, Präsident der Jury, dem NFM Wroclaw für die perfekte Durchführung beider Veranstaltungen und für ihre Gastfreundschaft, die die ICMA bei der Vorbereitung dieser Veranstaltung erfahren hatten. An beiden Veranstaltungen nahmen neben vielen Preisträgern auch die Mitglieder der Jury der beteiligten Klassikmedien aus ganz Europa teil.

Alessandro Marangoni
(c) Karol Sokolowski

Das Philharmonische Orchester der NFM Wroclaw unter seinem Chefdirigenten Giancarlo Guerrero stieg dann direkt zusammen mit dem ersten Preisträger Alessandro Marangoni am Klavier, der einen Special Achievement Award zugesprochen bekommen hatte, in den Abend ein. Sie boten mit dem Andante spianato et grande polonaise brillante op. 22 von Frederyk Chopin nicht nur ein seltener zu hörendes Werk eines der größten polnischen Komponisten, sondern auch einen Einstieg, der bereits interpretatorische Tiefen aushorchte und nicht nur im virtuosen Glanz verblieb.

Tassilo Probst & Maxim Lando
(c) Karol Sokolowski

Es folgte der Finalsatz aus dem Konzert für Violine, Klavier und Streichorchester von Nikolai Kapustin, in dem die beiden Kammermusikpreisträger Maxim Lando am Piano und Tassilo Probst, Violine, natürlich wiederum mit dem Orchester des Hauses unter Giancarlo Guerrero als Begleiter, eine deutlich lebendigere Musik präsentieren durften, die neben allen aus dem wirbelnden Tempo resultierenden technischen Anforderungen auch im Zusammenspiel die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Beteiligten für den gemeinsamen Weg erforderte. So wirbelten sie ausdrucksstark durch diesen spannenden Beitrag.

Sào Soulez Larivière & Giancarlo Guerrero
(c) Karol Sokolowski

Mit dem Preis für den Jungen Artisten des Jahres wurde Sào Soulez Larivière prämiert. In der Romanze op. 85 für Viola und Orchester von Max Bruch zeigte der Solist überzeugend die Vorteile des Instruments auf. So hatte seine Bratsche gerade für eine Romanze den sonoren und weichen Klang, der ein Träumen und Schwelgen zusammen mit der romantisch aufblühenden Orchesterlandschaft erlaubte.

Ermonela Jaho, Artist of the Year
(c) Karol Sokolowski

Welch wichtiges und wandlungsfähiges Instrument die menschliche Stimme ist, zeigte die Artistin des Jahres, Ermonela Jaho. Diese albanische Sopranistin ließ in der sehr bewegend vorgetragenen Arie Io son l’umile ancella aus Adriana Lecouvreur von Francesco Cilea unter der feinfühligen Begleitung des Orchesters ihr ganzes Können aufblitzen.

Leonhard Baumgartner
(c) Karol Sokolowski

In der Havanaise von Camille Saint-Saëns machte sodann Leonhard Baumgartner auf seiner Violine deutlich, warum der den Discovery Award erhalten hatte. Mit seinen 16 Jahren bot er eine musikalisch sensitiv ausgeleuchtete Interpretation des Stückes ohne virtuoses Gehabe, bei der die technische Beherrschung der Komposition nur Voraussetzung und nicht Selbstzweck war. Das Orchester zeigte einmal mehr mit aufmerksamer Begleitung und feinen solistischen Akzenten sein Können. Das Publikum feierte den sehr charismatischen Solisten mit anhaltendem Beifall.

Gabriel Schwabe & Giancarlo Guerrero
(c) Karol Sokolowski

Als Label des Jahres wurde Naxos ausgezeichnet. Als Vertreter für das Label spielte Gabriel Schwabe den dritten Satz des Cellokonzerts von Antonin Dvorak. Solist und Orchester zeigten den romantischen Charakter des Werkes auf, ohne beim Ausdruck über die Stränge zu schlagen. Mit diesem mitreißenden Stück verabschiedeten sich die Interpreten in die Konzertpause.

Capella de Ministrers
(c) Karol Sokolowski

So bot sich die Möglichkeit, ein klein besetztes Ensemble nach der Unterbrechung für den Preis für Alte Musik auftreten zu lassen. Carles Magraner leitete seine Capella de Ministrers mit Musik auf Verse nach Ibn Hazm. Dieses fünfstimmige Ensemble zzgl. Gesang entführte mit einem sehr alten iberischen Titel, in eine völlig andere, längst vergangene, aber eben auch faszinierende Welt.

Josu de Solaun
(c) Karol Sokolowski

Nach diesem Exkurs wurde die NFM Wrocław Philharmonie mit Guerrero wieder ständiger Begleiter der Interpreten. Zunächst intonierte der Pianist Josu de Solaun, als Gewinner des Preises Solo Instrument, von Joaquin Turina die Symphonische Rhapsodie für Piano und Streichorchester. Damit blieben sie zwar im spanischen Kulturkreis, boten aber ein jüngeres Werk. Nach den eröffnenden Akkordschlägen konnte Solaun seine Fingerfertigkeit und Subtilität im Spiel zusammen mit den Streichern des Orchesters beweisen.

Marc-André Teruel & Giancarlo Guerrero
(c) Karol Sokolowski

Die Musik des Nachbarlandes Frankreich kam dann in der Elegie für Cello und Orchestra von Gabriel Fauré zum Klingen, allerdings arrangiert für das größte Streichinstrument Kontrabass. Marc-André Teruel durfte als erster Gewinner des neuen ICMA Classeek Award sein Können darbieten. Die erst kürzlich begonnene Zusammenarbeit von ICMA und Classeek ermöglicht es, jedes Jahr einen jungen, herausragenden Musiker zu fördern, der aus der Liste der Finalisten des Flaggschiff-Botschafterprogramms für talentierte Künstler von Classeek ausgewählt wird. Teruel zeigte im Rahmen dieser Elegie, wie gut sich der Kontrabass für solistische Einsätze eignet, wenn man ihn so spielt, wie er es eben kann. Er verdeutlichte, dass der unhandlich aussehende Kontrabass in den richtigen Händen genau so elegant und beschwingt wie einfühlsam und sensuell klingen kann, und nicht etwa brummig und träge.

David Philip Hefti
(c) Karol Sokolowski

Das nächste Werk, das ‘con moto für Orchester’ von David Philip Hefti war das Beispiel für den Komponistenpreis. In komprimiert zielgerichtetem Erscheinungsbild zeigt dieses Werk, dass Hefti sich darauf versteht, moderne Musik trotzdem ansprechend im Klang zu gestalten.

Ein zweiter kurzer Auftritt nach ihrem kurzen vorher gestattete das Programm der eminenten Künstlerin des Jahres, Ermonela Jaho. In Ombra di nube von Licinio Refice gelang ihr eine einen deutlicheren Eindruck hinterlassende Leistung, bei der sie ihrer Stimme größere Freiheit und mehr opernhaftes Volumen gestattete.

David Geringas
(c) Karol Sokolowski

Der vielleicht bekannteste Name des Abends mit einem ebenso geläufigen Werk war der für sein Lebenswerk ausgezeichnete Cellist David Geringas mit dem jüdischen Gebet ohne Worte Kol Nidrei von Max Bruch. Geringas ist erfahren genug, um der Musik freie Entfaltungsmöglichkeiten zu lassen und so den privaten Charakter der Gebetssituation erlebbar zu machen.

Remy Franck überreicht den Preis für das NFM an Direktor Andrzej Kosendiak (c) Karol Sokolowski

Vor dem klingenden Abschluss des Abends überreichte Remy Franck noch den Preis für das gastgebende National Forum of Music in Wroclaw an Direktor Andrzej Kosendiak. Damit sollte das Forum als Keimzelle der Kunstvermittlung für seine Breite und Intensität bei gleichzeitiger Qualität der Aktivitäten geehrt werden. Das NFM sei ein Modell für andere Konzerthäuser, hiess es in Jury-Statement. Kosendiak widmete den Preis den Musikern und vor allem dem Publikum des Forums, ohne dessen Interesse und Zuwendung der Ort allein bedeutungslos wäre.

Karol Mossakowski
(c) Kasrol Sokolowski

Zum klingenden Abschluss war die Toccata aus der Symphonie concertante op. 81 von Joseph Jongen zu erleben. Hier zeigten der Organist Karol Mossakowski und die NFM Philharmonie mit Giancarlo Guerrero, die dieses Werk kürzlich auch eingespielt hatten, dass sie ebenfalls auf der Bühne zusammen ihre Stärken bündeln konnten und warum diesem polnischen Organisten der Preis des Orchesters zuerkannt worden war.

NFM Wroclaw Phiharmonic
(c) Karol Sokolowski

Der Live Stream des Konzertes steht im Link der Deutsche Wellen allen Interessierten, die den Termin nicht persönlich wahrnehmen konnten, zur Verfügung, um diese außerordentliche Veranstaltung erstmals oder zur Vertiefung nachvollziehen zu können.

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