Antonio Pappano
Photo: Musacchio & Ianniello

Obwohl Lisa Bathiasvili das Erste Violinkonzert von Bela Bartok und eine überraschende Zugabe zu Gehör brachte, hatte das Konzert des Orchestra dell‘Accademia Nazionale di Santa Cecilia seinen Platz in der Reihe Grands orchestres der Philharmonie in Luxemburg gefunden. Dass man auch diese Einordnung vertreten kann, meint Uwe Krusch in seiner Konzertkritik.

Der Abend begann gleich mit einem Tsunami für die Ohren. Bei einem flüchtigen Blick auf das Programm hatte man vielleicht das Übliche erwartet, also ‘Eine Nacht auf dem kahlen Berge’ von Modest Mussorgsky in der Fassung von Rimski-Korsakov. Es gab jedoch die seltener zu hörende Originalversion, die wilder und roher ist und den Hexensabbat viel stärker auslebt als die Bearbeitung. Nimmt man die beiden im Programmheft gezeigten Bilder des Komponisten, so entspricht diese Originalfassung dem späteren Gemälde von Ilya Repine, das den Komponisten mit zerzaustem Haar und stark von Alkohol gezeichnet abbildet. So konnte man sich in der heutigen Zeit fragen, was die Hexen denn geraucht und gesoffen hatten, so unbändig kam die Musik über die Rampe. Dass die Musiker dabei bis auf wenige Momente der auf der späten Zählzeit hängenden Bläser zusammen bleiben konnten, war auf das engagierte Dirigat ihres Chefs Antonio Pappano zurückzuführen, der auch in Covent Garden leitend aktiv ist.

Lisa Bathiashvili
(c) Sébastien Grébille / Philharmonie Luxembourg

Mit Bartoks Erstem Konzert hatte Lisa Bathiashvili zwar ein kurzes, aber nicht weniger anspruchsvolles Werk mitgerbacht, das sie mit einer die Aufmerksamkeit des Publikums aufsaugenden Intensität darbot. Bei diesem für die junge Geigerin Stefi Geyer komponierte und erst später in ihrem Nachlass wiedergefundene Werk konnte man sich die Solistin von heute quasi als die Widmungsträgerin vorstellen, woraus möglicherweise auch ihre innige und auch kraftvolle Deutung herrührt, da sie sich selber gut in die Situation hineindenken konnte. Anders als Stefi Geyer, die sich für Bartoks Liebeswerben weder im Leben noch in der Musik erwärmen konnte, war Bathiashvili Feuer und Flamme für das Werk und ließ diese Verbundenheit Klang werden.

Dieser beeindruckenden Deutung ließ sie zusammen mit dem Orchester noch den langsamen Satz aus der neunten Symphonie von Dvorak folgen, für die sie die Solostimme des Englischhorns für ihr Instrument adaptiert hat.

Ganz märchenhaft ging es im zweiten Teil des Abends weiter. Erneut, diesmal direkt, stand Rimski-Korsakov im Blick, jetzt mit seiner symphonischen Suite Scheherazade. Diese sowohl inhaltlich als auch in ihren Klangwelten ganz bei der Vorstellung von ‘Tausend und einer Nacht’ angesiedelte Komposition ist ein großes dreiviertelstündiges Tableau feinster Orchesterfarbpaletten, mit dem jedes Ensemble, das etwas auf sich hält, brillieren kann. Neben den Solisten in Holz- und Blechbläsern kommen dem Solocellisten und vor allem dem Konzertmeister dabei besonders delikate Aufgaben zu. Alle diese Solisten servierten ihre Partien, teilweise im Holz wieder etwas am Ende der Zeit, mit melodisch fein ausgereiftem Spiel. Insbesondere der Konzertmeister bewältigte seinen diversen Soli mit gefühlvollem Impetus, ohne ins Süßliche abzugleiten.

Pappano spornte sein Orchester zu einem die Farben des orientalischen Palastes auskostenden lebhaften Spiel an, dass den Fähigkeiten und der Koordination alles abforderte. Wenn amerikanische Orchester mit mehr spitz artikulierter Technik glänzen, schaffen die Musiker aus Rom eine vollmundige Hörlandschaft. So entsteht ein farben- und eindrucksvoller Bilderbogen, bei dem man die Geschichten aus Tausend und einer Nacht quasi sehen und riechen kann, als ob man im Haremsgarten dabei ist.

Mit zwei Zugaben bedankten sich die italienischen Gäste. Elgars Sospiri, bei dem neben den Streichern nur zwei Harfen den Ausdruck zum Klingen bringen dürfen, gelang innig und trotzdem intensiv. Zum Rausschmiss ließ Pappano dann das nochmals erweiterte Orchester karnevalesk galoppieren, was das Publikum größtenteils begeisterte.

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