Patricia Petibon
(c) Sébastien Grébille

Dass ein Konzert in der Reihe Zeitreise eine unbeschwerte Unterhaltung auf höchstem künstlerischem Niveau bieten würde, hatte wohl nicht jeder erwartet. Dass es neben Streichorchesterklang und Gesang auch noch sonst allerlei zu hören und zu sehen gab, weiß Pizzicato-Mitarbeiter Uwe Krusch zu berichten.

Ungewohnt war schon das Bild, das sich dem ankommenden Besucher beim Betrachten der Bühne des Kammermusiksaals der Philharmonie bot. Einerseits gab es die üblichen Requisiten, ein mittig platziertes Cembalo sowie auf Stehhöhe eingestellte Notenständer, zu erblicken. Aber daneben waren am Cembalo und links auf der Bühne Tische aufgestellt, die allerlei bunte Utensilien beherbergten, die wie Faschingsartikel wirkten. Umrahmt war der Tisch am Bühnenrand von Stühlen, auf denen die Musiker schon Platz genommen hatten und sich angeregt unterhielten. Dann betrat aus der Seitentür die aus Ungarn stammende Konzertmeisterin Eva Borhi die Bühne und musste ‘ganz erstaunt’ die Musiker an die Pulte rufen. Und schon wurde das Konzert mit dem ersten von 18 programmierten Werken eröffnet, einer Canzone von Tarquinio Merula.

Das ‘La Cetra Barockorchester’ aus Basel hat seine Ursprünge an der ‘Schola Cantorum Basiliensis’. In den zwanzig Jahren seines Bestehens hat es sich zu einer festen Größe in der alten Musik bis hin zur Frühklassik entwickelt und seinen Radius auch auf Opern erweitert. Hier war es in reiner Streicherbesetzung, allerdings mit Cembalo und als Orchestersolisten Hermine Martin für die Blockflöten- und Dudelsackpartien sowie Yula S. für alle Beiträge an den Instrumenten des Schlagwerks angereist. Dabei hatten linkerhand die Streicher und rechterhand vom Cembalo die Continuogruppe ihre Plätze gefunden. Dieses einleitende Werk, wie auch alle anderen rein instrumentalen des Abends, liessen dann an lebendigem Streicherklang keine Wünsche offen. Mit großer Homogenität und dank der kleinen Besetzung sehr wendigem und aufmerksamem Spiel boten die Instrumentalisten eine direkt packende Präsentation der Werke, die niemanden mehr entlässt. Nicht auszuschließen ist, dass diese überschäumende Gespanntheit für den einen oder anderen Hörer auch zu weit von akademischen Exerzitien entfernt und zu lebensfroh erschienen sein mag. Aber die einnehmende und munter machende Wirkung auf Mitspieler und Publikum lässt sich als für ein Konzertereignis als kleinliche Sicht abtun.

Patricia Petibon
(c) Sébastien Grébille

War nicht nur das Orchester, sondern auch das Publikum also schon gut eingestimmt, so war diese Eröffnung doch nur ein Stück trocken Brot im Vergleich zu dem, was folgen sollte. Mit dreierlei rot, Haare, Bluse und Rock, eroberte dann Patricia Petibon die Bühne. Wobei sie natürlich vor allem mit ihrer immensen Bühnenpräsenz und ihrer Stimme das Publikum in ihren Bann zog und mit ihren im Laufe des Abends an vielen Stellen gezeigten kleinen Exkursen auch die Musiker anzuspannen und zu amüsieren wusste.

Ihre Liedauswahl, die sie vor einigen Jahren mit dem Orchester auch auf CD gebrannt hat, bot eine reiche Palette an Stimmungen und zu ihrer Darstellung erforderlichen Ausdrucksweisen, so dass man es als ambitioniert bezeichnen kann. Die Auswahl der Werke bezog ein breites Spektrum an Nationalitäten und Stilen mit ein, die sich über ganz Westeuropa und auch Peru erstreckten. So eroberte sie mit ihren Begleitern eine Welt, die neben der peruanischen Handschrift des späten 18. Jahrhunderts auch Charpentier, Rameau, Purcell und traditionelles wie ‘Greensleeves’ bot. Petibon webte die verschiedenen Themen mit Singen, Gurren und anderen, Urwaldnaturlauten nachempfundenen Lautäußerungen so zusammen, dass dieses vielschichtige Material zusammenzufließen scheint.

Stimme und Darbietung mag für einige ein wenig zu aufgedreht gewesen sein. Aber man wird die Beherrschung der Materie und die Variabilität der Stimmführung nicht verneinen können. Dass dazu noch kleine Spielereien kamen wie Spaßbrillen, ein zwischen Publikum und Bühne hin und her fliegender Stofffuchs beim Lied ‘Ich habe den Wolf gesehen, …’ oder beim abschließenden ‘Das Schiff, das nicht argwöhnt, …’ die Matrosenmützen und Pullover, hatte keinen nachteiligen Einfluss auf die Interpretation, trug aber zu ausgelassener Freude bei allen Anwesenden im Saal bei.

Das Basler Ensemble ‘La Cetra’ erwies sich als ein geschickter Mitverschwörer von Petibons Performance, aber auch alle Aufmerksamkeit aufwenden musste, die Wendungen der Sängerin zu begleiten. Erst nach zwei Zugaben und einem ‘Buenos noces’ eines Stoffaras entließ das in beste Stimmung gebrachte Publikum die Akteure. Da kann ein verregneter und verwehter Umzug nicht so ohne weiteres mithalten, jedenfalls nicht für Musikfreunde.

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