Sie ist eine Poetin auf dem Klavier, aber auch eine Interpretin, die wunderbare Geschichten erzählen kann. In gleich zwei Konzerten vermochten Hélène Grimaud und ihre Partner das Publikum zu begeistern, ja regelrecht zu verzaubern, und dies mit sehr unterschiedlichen Werken. Unser Mitarbeiter Alain Steffen berichtet.
Am ersten Abend stand Beethovens 4. Klavierkonzert auf dem Programm, ein Werk, das Grimaud schon seit vielen Jahren spielt und ihr auch stilistisch sehr gut liegt. Kein Wunder, gerade hier treten Beethovens Humanismus und seine sanfte Poesie wie in kaum einem anderen seiner Werke hervor. Wunderschöne Melodien, eine ausdruckstarke, aber immer feine Sprache zeichnen insbesondere die beiden Ecksätze aus, während der Mittelsatz ein regelrechter Dialog mit dem Orchester ist. All dies passt hervorragend zu der sensiblen Künstlerin, die es dann auch verstand, jeden Impuls von Beethoven aufzunehmen und seine Musik in einer vollendeten Schönheit wiederzugeben. Neben all den vielen sehr poetischen Momenten besaß Grimauds Interpretation auch einen sehr narrativen, direkt zum Hörer sprechenden Charakter. Aber was Grimauds Interpretation am Ende wirklich ausmachte, war ihr Dialog mit dem Orchester. Ich habe dieses Konzert selten so intensiv und so lebendig gehört, was das Zusammenspiel zwischen Orchester und Klavier betrifft. Die Partnerschaft mit der Camerata Salzburg erwies sich als Glücksfall. Das Orchester, das von dem Konzertmeister Giovanni Guzzo geleitet wurde, ist ein regelrechtes Kammermusikensemble. Da hört jeder Musiker auf seinen Kollegen und als Ganzes hört und spürt das Ensemble genau, was die Solistin will. So wurde einerseits Grimaud auf Händen getragen, aber andererseits war die Camerata durch das engagierte Dirigat von Giovanni Guzzo ein sehr aktiver und gleichwertiger Partner. Die Holzbläser um das Klavier zu setzen und somit vor die Streicher, erwies sich als gute Idee und gab dem Klangbild eine ganz besondere Farbe. Wenn sich Guzzo und die Camerata auch hier auf einen sehr feinen, sensiblen und wohlgeformten Dialog einließen, so spielten sie die einleitende Corolian-Ouvertüre doch recht dramatisch, schnellen Tempi und markanten Ansätzen. Ebenso historisch informiertes Potential besaß die Aufführung von Mendelssohns 1. Symphonie, das Jugendwerk eines 15-Jährigen. I>n jedem Takt ist schon der große Mendelssohn spürbar und man kann sich als Hörer nur über den virtuosen Sturm-und-Drang Charakter dieser Symphonie wundern. Mit Giovanni Guzzo und der Camerata Salzburg erlebte das Publikum in der vollbesetzten Philharmonie eine in allen Punkten schlüssige und absolut virtuos gespielte Interpretation dieses Werkes.
Das zweite Konzert von Hélène Grimaud war der Stille gewidmet. Neben Neun Lieder und Gesänge op. 32 von Johannes Brahms, die eigentlich einen sehr modernen Schliff besitzen und somit in die Zukunft des Kunstliedes weisen, standen die selten aufgeführten Silent Songs des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov (*1937) auf dem Programm dieses im Kammermusiksaal stattfindenden Liederabends. Sie wurden Mitte der siebziger Jahre komponiert und sind, wie einige Musikerkollegen von Silvestrov es behaupten, ein « Verrat an der Avantgarde“. Tatsächlich sind diese wunderbaren, ausdrucksstarken, leisen und an Schönheit kaum zu überbietenden Lieder rückwärtsgewandt und ganz der Tradition gewidmet. Sehr oft erinnern sie von ihrer Stimmung her an das letzte Lied Der Leiermann aus Schuberts Winterreise. Aber es sind auch Anklänge an Tchaikovsky vernehmbar. Und trotzdem spricht Silvestrov seine eigene Sprache und nimmt den Hörer mit auf eine Reise in die Stille.
Vorgetragen wurden die Lieder von dem jungen, aufstrebenden Bariton Konstantin Krimmel, der die Brahms-Lieder sehr dunkel färbte, die Silent Songs von Silvestrov aber nach oben aufhellte. Die Klangfarbe war demnach sehr weich der Vortrag oft wie gehaucht. Krimmels Stimme war ein steter ruhig fließender Fluss, die sich auf schönste Weise mit dem ebenso genialen, wie klangschönen Spiel von Hélène Grimaud verband. Wie schon am Vortag stand Grimaud in völligem Einklang mit ihrem Partner, sowohl musikalisch wie auch emotional. Immer wieder ließen uns beide Künstler intensivste und schönste musikalische Momente erleben, bei der man kaum zu atmen wagte. Es war ein regelrechtes Eintauchen in die Stille. Nach der fast einstündigen Darbietung dieser Silent Songs gab es großen Jubel für Konstantin Krimmel und Hélène Grimaud. Ich bin mir sicher, jeder der an diesem Abend im Kammermusiksaal anwesend war, hat gespürt, hier und heute etwas ganz Besonderes und ganz Außergewöhnliches miterlebt zu haben.