Bernard Haitink

Mit seinen rund 60 Musikern ist das ‘Chamber Orchestra of Europe’ zwar namentlich ein Kammerorchester, aber so klein ist es dann auch nicht. Wie es die aktuelle Arbeitsphase unter der Leitung von Bernard Haitink und zusammen mit dem Solisten Gautier Capuçon darbot, erfuhr Pizzicato-Mitarbeiter Uwe Krusch im vollbesetzten großen Saal der Philharmonie.

Dass die Zeit auch ein Orchester betrifft, konnte man am ‘Chamber Orchestra of Europe’ erleben, das 1981 gegründet wurde und somit nunmehr in den besten Jahren ist, auch was seine Mitspieler angeht. Das äußert sich dann auch in einem ruhigeren Erscheinungsbild, was die Körperbewegungen während des Spiels angeht. Dass deswegen das Ensemble nichts von seinem Feuer und Eifer verloren hat, konnte das Auditorium bei dem Auftritt in Luxemburg erleben. Das lag sicherlich auch an dem Dirigat von Bernard Haitink, der nur einen Monat vor seinem 90. Geburtstag das Konzert leitete. Auch er kommt mit kleineren körperlichen Bewegungen aus. Aber sobald er das Pult betreten hat, wirkt er, wie viele seiner Kollegen übrigens auch, mindestens zwanzig Jahre jünger und agiler. Sein sparsames, aber akzentuiertes, gut lesbares und aufmerksames Dirigat lässt keine Nachlässigkeiten und vor allem keine Müdigkeit erkennen und spornt das Orchester zu mitreißendem Spiel an. Es war ein Erlebnis, diesen ‘grand chef’ vor seinem bevorstehenden Sabbatjahr erleben zu dürfen.

Der erste Teil des Konzerts war Robert Schumann gewidmet. Dieser Komponist nimmt mit elf Nennungen im Programm der Philharmonie auch ohne besonderes Jubiläum eine nicht ganz unerhebliche Stellung ein. Das diese Pflege seines Werks berechtigt ist, kann man immer wieder auch an den weniger häufig zu hörenden Stücken miterleben. Hier erklang zur Eröffnung ‘Ouvertüre, Scherzo und Finale’. Schumann hatte erst an einen Titel wie Suite gedacht, um die kleinere Form gegenüber der zuvor fertiggestellten ersten Symphonie zu kennzeichnen. Aber dann wählte er den bekannten Titel. Dass er auch hier schon seine Instrumentationsgeschicklichkeit beweist, konnte man in der Interpretation des Abends hören. Zu denken ist hier insbesondere an die an elfenhafte andere Werke erinnernde Leichtigkeit des Scherzos. Diese wurde in der Interpretation durch das COE und Bernard Haitink ebenso deutlich wie die famose Verfassung des Orchesters, das mit elegantem und feinem Zusammenspiel überzeugte.

Gautier Capuçon

Den Mittelpunkt des Konzerts bildete eine Kombination aus Solokonzert und Zugabe, die der regelmäßige Besucher der Philharmonie passgenau zwei Monate zuvor schon einmal hören konnte und die doch heuer ganz anders daherkam. Das Cellokonzert von Schumann als Hauptwerk und der Gesang der Vögel von Pau Casals als Zugabe erklangen im Dezember mit Sol Gabetta und dem Kammerorchester Basel ebenfalls. Wie sich die Bilder gleichen und die Töne doch so sehr unterscheiden können!  Gabetta hatte mit den etwas kleiner besetzten Baselern eine eher verhaltene, in das Werk hineinhörende Darstellung gewählt, die bei manchem Hörer als zu wenig mitreißend ankam. Bei dem charmanten Franzosen Gautier Capuçon und seinen Begleitern wiederum konnte man sich beruhigt zurücklehnen und sozusagen einem ritterlichen Interpretationsansatz lauschen. Das Werk erhielt hier wieder die Ausstrahlung und Fortune, die ihm meistens angediehen wird. Das bedeutet natürlich nicht, dass sich Capuçon nicht den sanften Passagen und dem gesanglichen Ton verschloss oder ihn auch nur vernachlässigte. Vielmehr pflegte er bis auf einige kernige Momente im tiefen Register eine sehr gepflegte Ausdrucksweise, die seinem charmanten Naturell entsprach.

In der Zugabe durfte sich auch Capuçon von den Klangflächen der Cellogruppe des Orchesters begleiten lassen, um den Gesang der Lerche über der grünen Natur schweben zu lassen.

Ganz klassisch boten Orchester und Dirigent als letztes Werk die siebte Symphonie von Beethoven. Als eine der ungeraden Symphonien steht sie immer wieder auf dem Programm, für mich das zehnte Mal im Konzert. Hier bewies Haitink einmal mehr, dass er zu Recht als Großer seines Fachs anzusehen ist. Man könnte sie ja auch als seine Haussymphonie sehen, wenn man den daktylischen Rhythmus des ersten Satzes als Aussprachehilfe seines Geburtsortes Amsterdam betrachtet. Dabei legten die Beteiligten den Rhythmus eher als singende Linie denn als markant artikulierte Struktur an.

War auch die Interpretation nicht durch bahnbrechende neue Sichten gekennzeichnet, so entwickelte Haitink zusammen mit dem Orchester doch ein stimmiges mitreißendes Klanggemälde. Die deutsche Aufstellung mit den sich gegenüber sitzenden Geigen machte die Struktur der Komposition besonders auch im vierten Satz deutlich, wo sich gleich- und gegenlaufende Passagen beobachten und hören lassen konnten. Mit einem hurtig treibenden aber nicht überspitzt hetzenden vierten Satz überzeugten die Musiker das Publikum vollends, so dass die stehenden Ovationen sich unmittelbar anschlossen.

 

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